Wohnlaubenentgelt in Kleingartenanlage?

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Verwandte berichteten uns, dass sie künftig für ihren Bungalow mit Dauerwohnrecht in einer Kleingartenanlage auf der Grundlage eines Unterpachtvertrages mit dem Bezirksverband der Kleingärtner ein so genanntes Wohnlaubenentgelt von 460 Euro jährlich zu zahlen hätten. Das fordere der Grundeigentümer. Auf welcher rechtlichen Grundlage geschieht das? Sie müssen doch schon 50 Cent pro Quadratmeter Pacht bezahlen.
Lothar D., 15344 Strausberg

Zuallererst: Wenn Kleingärtner in einer anerkannten Kleingartenanlage dauernd wohnen, ist ein Wohnlaubenentgelt berechtigt. Die gesetzliche Grundlage dafür ist das Bundeskleingartengesetz (BKleingG).
Aber der Reihe nach: Das Kleingartenrecht verbietet grundsätzlich die Wohnnutzung. Im Zweiten Weltkrieg zogen jedoch viele Kleingartennutzer aus Angst vor Bomben oder weil sie ausgebombt wurden in ihre Lauben und nutzten sie zum Wohnen. Auch zu DDR-Zeiten bauten sich Kleingärtner ihre Lauben zu Wohnzwecken aus, was vom Staat geduldet wurde. Unser Autor, Rechtsanwalt Prof. Dr. Dietrich Maskow verweist darauf, dass für die alten Bundesländer mit § 18 Abs.2 BKleingG die bestehende Wohnnutzung geschützt wurde. Nach der Wende wurde diese Regelung in § 20a Nr. 8 BKleingG für die neuen Bundesländer aufgenommen. Und in beiden Fällen kann der Verpächter für die Wohnnutzung ein angemessenes Entgelt, eben das so genannte Wohnlaubenentgelt, verlangen. Über die Höhe des Wohnlaubenentgeltes haben die Gerichte unterschiedliche Urteile gefällt. Prof. Maskow weist darauf hin, dass, wenn die Parteien sich nicht darüber einigen können und auch der Pachtvertrag keine Grundlage für die Bestimmung der Höhe des Entgelts bietet, der Verpächter den Pächter auf Zahlung des angemessenen Entgelts verklagen muss. Außerdem ist zu bedenken, dass das Entgelt auch rückwirkend gefordert werden kann, da sich die Pflicht zur Zahlung aus dem Gesetz ergibt.
Nun wollen immer mehr Verpächter das Wohnlaubenentgelt vor Gericht einklagen, indem sie nachzuweisen versuchen, dass die Anlage gar keine Kleingartenanlage nach BKleingG ist. Rechtsanwalt Jürgen Naumann weist auf zwei Urteile des Amtsgerichts Pankow/Weißensee hin. So hat das Gericht die Klage einer Bodeneigentümerin abgewiesen, die von einem Pächter Wohnlaubenentgelt rückwirkend vom 1. Januar 1999 verlangte. Das ging in die Tausende Euro. Sie behauptete, sämtliche Parzellen der Anlage seien zum Stichtag der deutschen Einheit, dem 3. Oktober 1990, kleingärtnerisch genutzt worden. Es handele sich also um eine Anlage im Sinne des BKleingG und sie habe Anspruch auf Wohnlaubenentgelt entsprechend diesem Gesetz.
Doch das Gericht sah die Klage als unbegründet an. Es könne nicht unberücksichtigt bleiben, dass viele Nutzer der als Kleingarten überlassenen Parzellen diese mit massiven Wohnhäusern bebaut, bereits vor dem 3. Oktober 1990 zum dauerhaften Wohnen genutzt haben und dies von dem Vertragspartner gebilligt wurde. Die gesamte Anlage sei nicht als Kleingartenanlage nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 BKleingG einzuordnen. Von den 367 Parzellen würden 112, also 30,5 Prozent, zu Dauerwohnzwecken genutzt. Zwar habe der Bundesgerichtshof bestimmt, dass es der Anwendung des BKleingG nicht entgegensteht, wenn einzelne Parzellen nicht kleingärtnerisch genutzt würden. Doch 30 Prozent seien zu viel. Die verklagten Pächter brauchen nicht zu zahlen (Urteil vom 6. Juli 2004, Az. 8 C 41/04).
In einem weiteren Urteil wird die Klage um Zahlung von Wohnlaubenentgelt von 1999 bis 2003 abgewiesen. Es betrifft dieselbe Kleingartenanlage. In der Begründung wies das Gericht darauf hin, dass der Schwerpunkt der Anlage eindeutig in der Wohnnutzung liege. Bei einem Anteil von einem Drittel ganzjährig bewohnter Parzellen zum 3. Oktober 1990 kann aber nicht mehr von einer Einordnung der Anlage als Kleingartenanlage ausgegangen werden, so das Amtsgericht (Urteil vom 26. Juli 2004, Az. 4 C 135/04).
Fazit: Wer in einer nach BKleingG anerkannten Kleingartenanlage wohnt, muss angemessenes Wohnlaubenentgelt zahlen. Mehr und mehr aber versuchen Eigentümer, den Anlagen den Status der Kleingartenanlage nach BKleingG abzuerkennen. Dagegen allerdings sollten sich die Pächter wehren. Denn wenn das geschieht, gehen sie aller Vergünstigungen der Kleingartenpacht verlustig, müssen mehr Pacht bezahlen und verlieren den Kündigungsschutz. Und das ist zumeist wesentlich teurer als das Wohnlaubenentgelt.
RBL

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