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Recht auf Land eingefordert

Bodenreformerben gingen in Berlin auf die Straße

  • Rosi Blaschke
  • Lesedauer: 3 Min.
»Europa achtet unser Bodenreformeigentum, warum Deutschland nicht?« Mit dieser Frage gingen etwa 200 ostdeutsche Erben von Land aus der Bodenreform am Sonnabend in Berlin auf die Straße.
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg hatte in seinem Urteil vom 22. Januar dieses Jahres bestimmt, dass die Bundesregierung mit der Enteignung der ostdeutschen Neubauernerben gegen das Grundrecht auf Schutz des Eigentums verstoßen hat. Auf der Grundlage des Artikels 233 des Einführungsgesetzes zum BGB wurde 1992 Erben das Bodenreformland von den Bundesländern ohne Entschädigung weggenommen. Sie durften Land und die Einnahmen daraus nur behalten, wenn sie am 15. März 1990 oder zehn Jahre zuvor in der Land- und Forst- oder Nahrungsgüterwirtschaft der DDR arbeiteten. Die Bundesregierung legte gegen das Straßburger Urteil Berufung ein. Bei der Demonstration am Wochenende war auch Dieter Lichtenstein aus der Gemeinde Kavelsdorf (Mecklenburg-Vorpommern) dabei. Sein Vater Gustav, aus Ostpreußen geflüchtet, erhielt 1945 durch die Bodenreform gute elf Hektar Land im Ortsteil Stormsdorf mit Eintragung im Grundbuch. Bei einem Flächentausch im Jahr 1980 aber wurden die schriftlichen Unterlagen nicht ordnungsgemäß aufgearbeitet, die LPG kam ins Grundbuch. Nach der Wende fiel das Land somit der Treuhand und ihrer Tochter BVVG zu. An diese zahlt seither eine der Erben Pacht. Vater und Bruder von Dieter Lichtenstein mussten sogar das eigene Haus auf dem Bodenreformgrundstück kaufen. Und dies alles, obwohl notariell beglaubigt, von der Gemeinde und der ehemaligen LPG schriftlich bestätigt die Zueignung durch die Bodenreform klargestellt wurde. »Wir wollen doch nur, dass uns das Dach über dem Kopf bleibt«, sagte Dieter Lichtenstein. »In der DDR konnten die Erben trotz mancher Einschränkung das Bodenreformland behalten«, sagte Rechtsanwältin Dr. Beate Grün, die in Straßburg das Urteil für die Neubauernerben mit erstritten hatte, zu den Kundgebungsteilnehmern am Brandenburger Tor. Doch die Bundesregierung habe es ihnen streitig gemacht, kein deutsches Gericht habe ihnen Recht gegeben. Erst der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte habe zu Gunsten der 70000 Betroffenen entschieden. Am 26. Januar 2005 nun werde vor der Großen Kammer des Gerichtshofs eine Anhörung zum Widerspruch der Bundesregierung stattfinden. Im Interesse des Rechts auf Eigentum forderte Dr. Grün die politisch Verantwortlichen auf, das zurückzugeben, was illegitim enteignet wurde. Hans Modrow, zur Wende Ministerpräsident der DDR, verwies auf die Rechtmäßigkeit der Bodenreform, die von den Alliierten 1945 beschlossen und in Ostdeutschland umgesetzt wurde. Seine Übergangsregierung habe nach rechtsstaatlichen Prinzipien gehandelt und mit dem Gesetz vom März 1990 das Recht der Ostdeutschen auf Bodeneigentum festgeschrieben. Das jüngste Urteil des Bundesgerichtshofs, wonach ostdeutsche Grundstücke nach eben diesem Gesetz zu DDR-Zeiten günstig kaufen durften, bestätige die Rechtmäßigkeit der Entscheidung seiner Regierung. Obwohl der Bundesregierung Menschenrechtsverletzungen nachgewiesen wurden, versuche sie mit spitzfindigen Kostenargumenten gegen die Bodenreformerben vorzugehen, betonte Dr. Hans Watzek, Landwirtschaftsminister der Modrow-Regierung. Geld für die Umsetzung des Straßburger Urteils könne aus der Besteuerung von Spekulationsgewinnen oder der Rücknahme der Senkung des Spitzensteuersatzes fließen. Der Kampf um das Recht auf das Bodenreformerbe werde weitergeführt.

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