- Politik
- # Von einem, der auszog,
Heimatgefühl zu lehren
Rechtslastige Kapriolen der Uni-Politik in Kiel Von Jörg Meyer
Bei den letzten beiden Wahlen zum Studierendenparlament der Kieler Uni kandidierte auch der Jurastudent Rüdiger Dorff. Seine Partei ist der Ring Christlich-Demokratischer Studenten (RCDS), seine Fühler hat er aber nach rechts-außen ausgestreckt: Rüdiger Dorff ist Vorsitzender des »Bundes Heimattreuer Jugend - der Freibund e.V « (BHJ), neben der inzwischen verbotenen paramilitäri-
schen »Wiking-Jugend« (WJ) die älteste und größte rechtsextreme Jugendorganisation der Bundesrepublik. Mit der neofaschistischen WJ arbeitete der 1958 gegründete BHJ in seiner Anfangszeit eng zusammen. In den Siebzigern distanzierte er sich dann von der immer radikaleren »Wiking Jugend«, da er sein Überleben nur durch eine Entpolitisierung nach außen gesichert sah.
Das heißt jedoch nicht, daß er unpolitisch geworden wäre. Mit seinen Spezialitäten, der Ausrichtung von Pfingstlagern, Heimatabenden oder Fahrten, ist
er zwar gar nicht so weit von Gemeinschaftsideal und Fahrtenromantik der Pfadfinder entfernt. Der politische Anspruch jedoch macht's: Bei den Pfingstlagern treten einflußreiche Figuren der rechtsextremistischen Szene auf, die zentralen Begriffe heißen »Gemeinschaft, Volk, Kameradschaft, Vaterland und Idealismus«, und die Fahnen werden zu markigen Gesängen in die Luft gehalten. Die Organisation hat enge Verbindungen zur NPD und der »Deutschen Kulturgemeinschaft«. Sie wirbt in der rechtsextremen Wochenzeitung »Junge Freiheit« um neue Mitglieder und steht in Verbindung mit dem »Witikobund« (WB).
Auch hier ist Uni-Wahlkandidat Dorff kein Unbekannter. Auf der WB-Jugendtagung hielt er Anfang 1995 einen Vortrag, in dem er laut Zeitschrift des »Witikobundes«, dem »Witiko Brief«, »die Heranbildung von Persönlichkeiten mit klarer Wertvorstellung als vorrangige Aufgabe der heutigen Jugendbewegung« beschrieb. »Mit dem Herauswachsen aus dem Jugendbund müßten sie zu tragenden Säulen des Volkes werden«. Die politischen Ziele des »Witikobundes« zeichnen sich in der Äußerung des Historikers und »Witikonen« Hellmut Diwald ab. Er ist der Meinung, »daß ... unsere Ostgebiete seit vielen Jahrhunderten deutsches Land, deutsche Heimat sind. Das läßt sich durch kein Vertragswerk ändern«. Beim »Junge Witikonen-Jahrestreffen» 1995 schmetterten alte Herren mit Gästen des BHJ »völkisches Liedgut«.
Die Kandidatur des so vielfältig vernetzten Dorff ist nicht der erste Rechtsausrutscher des Kieler RCDS: In der Debatte um den 50. Jahrestag der Befreiung
vom Faschismus stellte sich die konservative Uni-Partei in Kiel hinter den geschichtsfälschenden Aufruf »Gegen das Vergessen«. Hier wurde der Völkermord der Nazis bagatellisiert, indem die Vertreibung der Deutschen aus den ehemaligen Ostgebieten und nicht der Völkermord an den Juden und Jüdinnen als eigentlicher Inhalt des Gedenktags propagiert wurde.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.