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Frauen, die Abstand hielten
Wiedersehen der olympischen Staffelläuferinnen - wie zu DDR-Zeiten in der Sportschule Kienbaum
Von Volker Kluge
Das Jubiläum war schon am 31. Juli. Doch was 20 Jahre her ist, muß nicht auf die Stunde genau gefeiert werden. So trafen sich Doris Brachmann, Brigitte Köhn, Ellen Wendland und Christina Lathan, die damals Maletzki, Rohde, Streidt bzw Brehmer hießen, auch nicht während der Atlanta-Tage, sondern drei Wochen danach. Der Ort: die Sportschule Kienbaum, wo zu DDR-Zeiten die meisten Trainingslager stattfanden.
Eingeladen waren Wegbegleiter aus den 70er Jahren: Bärbel Wöckel-Eckert, Johanna Klier-Schaller, Monika Landgraf-Zehrt, Rita Kühne, Thomas Munkelt, Volker Beck - alles Olympiasieger wie jene vier, die damals in Montreal mit 25 m Vorsprung die 4 x 400-m-Staffel gewannen. Doris Brachmann hatte davon sogar ein Video aufgetrieben, so daß die Mitläuferinnen sich ihren Sieg erstmals anschauen konnten.
Wenn 1976 für die DDR eine olympische Goldmedaille erwartet wurde, dann diese. Schon 1972 wurde sie ebenso gewonnen wie bei den EM 1971 und 1974 sowie den Europacupfinals von 1973 und 1975. Doch aus der Münchner Goldstaffel war in Montreal niemand mehr dabei, und wie damals waren es vier Trainer, die den Erfolg vorbereitet hatten: die Berliner Inge Utecht (mit Brehmer) und Gün-
ter Sauer (mit Maletzki), der Neubrandenburger Walter Gladrow (mit Rohde) und der Potsdamer Eckhard Schöpke (mit Streidt). Das Kuriose: Aus dem 400-m-Lager ging nur die 18jährige Christina Brehmer hervor, die Anfang Mai 1976 in Dresden mit 49,77 s als erste Frau der Welt elektronisch unter der 50-s-Grenze geblieben war Brigitte Rohde war Mittel-
strecklerin, Ellen Streidt und Doris Maletzki kamen vom Sprint.
Dieses Quartett lief in Montreal mit 3:19,23 min Weltrekord, der indes nur sieben Tage hielt, ehe er von der UdSSR unterboten wurde. In Atlanta kamen die siegreiche USA-Staffel auf 3:20,91 min. Die Deutschen, unter denen zwei Thüringerinnen und eine Mecklenburgerin
waren, gewannen mit 3:21,14 min eine der selten gewordenen Bronzemedaillen.
Die Welt hat sich inzwischen verändert, und mit ihr die Regeln des Leistungssports. Doch für die Generation vor 20 Jahren waren sie gleich. Und wer die Erfolge der DDR-Frauen auf Doping zurückführt, muß sich auch fragen lassen, wieso - wenn es so war - gerade über 100 m die Westdeutschen schneller liefen als die Ostdeutschen. Bärbel Wöckel, die heute beim DLV in Darmstadt im Jugendreferat arbeitet, sieht sich zwar nicht direkt angegriffen, aber als vierfache Olympiasiegerin auch nicht gerade gewürdigt. Noch immer ist es so, daß man Erklärungen abzugeben hat. Manche sogar vor der Staatsanwaltschaft, die ihnen einreden will, daß sie doch geschädigt sein müßten. Indes: Fehlanzeige.
Die Erinnerungen an 1976 sind keinesfalls nostalgisch verklärt, lediglich angenehm. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Von den vier Staffelsiegerinnen, die acht Kinder erziehen, ist allein die Finanzökonomin Doris Brachmann beruflich dem Sport treu geblieben. Sie arbeitet als stellvertretende Geschäftsführerin beim Berliner Fußball-Verband. Brigitte Köhn ist in Neubrandenburg Konstrukteurin bei der Telekom. Ellen Wendland, die die »Wende« trotz folgender kurzer Arbeitslosigkeit und Umschulung als befreiend empfand, kniet sich jetzt bei der Stiftung Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg in die preußische Geschichte hinein. Christina Lathan ging nach Senftenberg zurück, wo sie sich mit etwas beschäftigt, was eigentlich gegen ihre Natur ist: Sie bestraft in der Bußgeldstelle ausgerechnet Temposünder...
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