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Im Dienste Homers

Franz Fühmann erzählte von Trojas Fall

  • Lesedauer: 3 Min.

Die Geschichten vom Kampf um Troja reizten Dichter seit Jahrhunderten, ihre Versionen neben die Homers zu stellen, beziehungsweise letzteren ins Zeitgenössische oder in die eigene Sprache zu übertragen. Insofern trat Franz Fühmann nur in die Fußstapfen seiner »Kollegen« Euripides und Aischylos, Johann Heinrich Voß und sogar Goethe. Auch Jacques Offenbach, Peter Hacks oder Stephan Hermlin versuchten sich an dem großen Stoff. Und der gibt ja auch alles her-Tapfere Helden, Leidenschaft und Eifersucht, Tragik und Spannung, Lebensanschauung und vor allem Geschichten. Vom Streit der drei Göttinnen, wer die schönste ist. über den Raub der Helena, die langdauernden Kämpfe zwischen Griechen und Troern mit wechselnden Vorteilen bis hin zur langen Heimreise des Odysseus. Aber das ist bei Franz Fühmann wie bei Homer schon wieder ein anderes Buch.

»Die Sage vom Untergang Trojas und von den Irrfahrten des Odysseus, neu erzählt von Franz Fühmann« erschien erstmals 1968 im Verlag Neues Leben in einer prächtigen Ausgabe. Eberhard und Elfriede Binder hatten das Geschehen um Troja

Franz Fühmann: Die Sage Von Trojas Fall. Hinstorff Verlag. 168 S., geb., 24,80 DM.

mit mehrfarbigen Linolschnitten so eindrucksvoll »bebildert«, daß es mir heute noch schwer fiele, andere bildhafte Vorstellungen gelten zu lassen. (Aber keine Angst: Eine solche Probe findet gar nicht statt!) Franz Fühmann erzählte die alte Geschichte sehr behutsam neu. Die Schönheit des Homerschen Textes und sein Geist sollten erhalten bleiben, kein besserwisserischer Ton die Interpretation des großen Ahns begleiten. Hier empfand

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Oasen ritterlicher Spiele und kulinarischer Feste hat. Am besten liest man den Text Absatz für Absatz laut, dann ist der Genuß am größten.

Daß Franz Fühmann nur wenig umdeutete, beispielsweise Achill zwar in seiner Eitelkeit zeigt, aber vor allem doch als edlen Helden im Geiste Homers beläßt, mag Beleg dafür sein, was der Autor noch 1968 als Werktreue verstand. Die Abhängigkeit der menschlichen Geschicke von der Willkür der Götter - also von »oben« - war offensichtlich für ihn ein Gesichtspunkt, den er dem jugendlichen Leser, für den das Buch vor allem gedacht war, als bedenkenswert heraushob. Als Dialektiker zeigte er dabei die Götter als besonders menschlich - eifersüchtig und zerstritten, intrigant und überhaupt nicht besser als die Troer und Griechen, die die Launen von denen da oben ausbaden mußten.

Anlaß der erneuten genußvollen Lektüre ist eine Ausgabe des Hinstorff Verlags: »Die Sage von Trojas Fall«. Es ist schön, daß dieser Text wieder auf dem Markt ist, jedoch der Unterschied in der Aufmachung von 1968 und 1996 spricht Bände. Muß denn alle Buchkunst den Bach hinuntergehen?

GreVHofmann

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