Der Künstler, das arrogante Wesen
Theater Orange mit »Torquato Tasso« in Neukölln Von Mario Stumpfe
Das Theater, der Dichter, die Kunst nicht nur die öffentlich finanzierte - sind in der Krise. Kein Geld, nirgends. Das Publikum weiß nicht zu danken, was es angeboten bekommt. Die Politiker sind unwillig. Doch Kunst, Theater ist wesentlich. All das behaupteten Kunst- und Theatermacherinnen verschiedener Berliner Bühnen jüngst bei einer Krisensitzung im Grips-Theater.
Sie haben recht. Zugleich haben sie aber auch unrecht, denn Kunst, Theater ist nicht per Definition, nicht von sich aus wesentlich. Es muß sich jeden Tag erneut wesentlich machen. Das wird ihm mit traditionellen Stücken und Inszenie-
rungen nicht gelingen. Auch nicht mit Geld allein, wenn es an Ideen und Mut mangelt. Lamentieren allein genügt nicht. Der Konflikt zwischen Kunst und Macht, Künstlern und Gesellschaft ist nicht neu, wahrscheinlich so alt wie die Kunst selbst. Goethe thematisierte ihn in seinem Stück »Torquato Tasso«. Sein Werk war für das Theater Orange Ausgangspunkt der Inszenierung im Ballhaus Rixdorf.
Regisseur Marcel Pomplun hat Goethes Vorlage ausgedünnt, den Konflikt zwischen Künstler und Geldgeber in das Zentrum der Inszenierung gerückt und manchen Seitenhieb auf das eigene Medium eingebaut. Goethes Reflexionen über Natur sparte er aus, unterstützt vom Bühnenbild, das Natur nur in Form eingeschweißter Strohballen vorkommen läßt. Überhaupt: Geht es um Natur, die Rolle
der Kunst, des Künstlers in der Gesellschaft, um das Verhältnis von Kunst und Macht, sind für Pomplun und sein Ensemble alle Schlachten längst geschlagen, die Sieger stehen fest: Der Künstler ist ein auf sich bezogenes und arrogantes Wesen, das Aufstände nur probt, niemals aber umsetzt. Die Geldgeber haben von Kunst keine Ahnung und sind allein auf Prestige aus. Das Publikum und der normale Kunstkonsument betrachten Künstler als Müßiggänger, die sich vor der wirklichen Arbeit drücken. Und die sanften »Kunstmuttis«, die bei jedem Herz-Schmerz-Gedicht in Tränen ausbrechen, sehnen sich nach zarten Künstlerküssen, ohne den Wunsch realisieren zu können. Allein die Inszenierung nimmt keine Partei. Der zentrale Konflikt wird in Beziehungskisten und Empfindlichkeiten zerrührt. Trotz der Straffung von Goethes Vorlage auf ein Minimum ergeben sich Längen vor allem im zweiten Teil. Verantwortlich sind dafür vor allem dramaturgische Schwächen und die gnadenlose Literarisierung des Theaters. Einige gelungene Bilder lockern das nicht auf.
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