Dieser Text ist Teil des nd-Archivs seit 1946.

Um die Inhalte, die in den Jahrgängen bis 2001 als gedrucktes Papier vorliegen, in eine digitalisierte Fassung zu übertragen, wurde eine automatische Text- und Layouterkennung eingesetzt. Je älter das Original, umso höher die Wahrscheinlichkeit, dass der automatische Erkennvorgang bei einzelnen Wörtern oder Absätzen auf Probleme stößt.

Es kann also vereinzelt vorkommen, dass Texte fehlerhaft sind.

Der Künstler, das arrogante Wesen

Theater Orange mit »Torquato Tasso« in Neukölln Von Mario Stumpfe

  • Lesedauer: 2 Min.

Das Theater, der Dichter, die Kunst nicht nur die öffentlich finanzierte - sind in der Krise. Kein Geld, nirgends. Das Publikum weiß nicht zu danken, was es angeboten bekommt. Die Politiker sind unwillig. Doch Kunst, Theater ist wesentlich. All das behaupteten Kunst- und Theatermacherinnen verschiedener Berliner Bühnen jüngst bei einer Krisensitzung im Grips-Theater.

Sie haben recht. Zugleich haben sie aber auch unrecht, denn Kunst, Theater ist nicht per Definition, nicht von sich aus wesentlich. Es muß sich jeden Tag erneut wesentlich machen. Das wird ihm mit traditionellen Stücken und Inszenie-

rungen nicht gelingen. Auch nicht mit Geld allein, wenn es an Ideen und Mut mangelt. Lamentieren allein genügt nicht. Der Konflikt zwischen Kunst und Macht, Künstlern und Gesellschaft ist nicht neu, wahrscheinlich so alt wie die Kunst selbst. Goethe thematisierte ihn in seinem Stück »Torquato Tasso«. Sein Werk war für das Theater Orange Ausgangspunkt der Inszenierung im Ballhaus Rixdorf.

Regisseur Marcel Pomplun hat Goethes Vorlage ausgedünnt, den Konflikt zwischen Künstler und Geldgeber in das Zentrum der Inszenierung gerückt und manchen Seitenhieb auf das eigene Medium eingebaut. Goethes Reflexionen über Natur sparte er aus, unterstützt vom Bühnenbild, das Natur nur in Form eingeschweißter Strohballen vorkommen läßt. Überhaupt: Geht es um Natur, die Rolle

der Kunst, des Künstlers in der Gesellschaft, um das Verhältnis von Kunst und Macht, sind für Pomplun und sein Ensemble alle Schlachten längst geschlagen, die Sieger stehen fest: Der Künstler ist ein auf sich bezogenes und arrogantes Wesen, das Aufstände nur probt, niemals aber umsetzt. Die Geldgeber haben von Kunst keine Ahnung und sind allein auf Prestige aus. Das Publikum und der normale Kunstkonsument betrachten Künstler als Müßiggänger, die sich vor der wirklichen Arbeit drücken. Und die sanften »Kunstmuttis«, die bei jedem Herz-Schmerz-Gedicht in Tränen ausbrechen, sehnen sich nach zarten Künstlerküssen, ohne den Wunsch realisieren zu können. Allein die Inszenierung nimmt keine Partei. Der zentrale Konflikt wird in Beziehungskisten und Empfindlichkeiten zerrührt. Trotz der Straffung von Goethes Vorlage auf ein Minimum ergeben sich Längen vor allem im zweiten Teil. Verantwortlich sind dafür vor allem dramaturgische Schwächen und die gnadenlose Literarisierung des Theaters. Einige gelungene Bilder lockern das nicht auf.

- Anzeige -

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.