Werbung

Dieser Text ist Teil des nd-Archivs seit 1946.

Um die Inhalte, die in den Jahrgängen bis 2001 als gedrucktes Papier vorliegen, in eine digitalisierte Fassung zu übertragen, wurde eine automatische Text- und Layouterkennung eingesetzt. Je älter das Original, umso höher die Wahrscheinlichkeit, dass der automatische Erkennvorgang bei einzelnen Wörtern oder Absätzen auf Probleme stößt.

Es kann also vereinzelt vorkommen, dass Texte fehlerhaft sind.

  • Politik
  • Brigitte Bardots Memoiren räumen keine Vorurteile aus

Die falsche Marianne

  • Lesedauer: 5 Min.

Brigitte Bardots Memoiren: Können Tiere Widmungen lesen?

Foto: dpa

Von Ralf Klingsieck, Paris

Wenn man dem Volksmund am Kneipentresen glauben soll, darf man von Blondinen keine geistigen Höhenflüge erwarten. Brigitte Bardot ging dieser Ruf schon vor Jahrzehnten voraus. Ihre Qualitäten lagen auf ganz anderen Gebieten. Für ihre Memoiren, die unlängst auch in deutscher Sprache erschienen, hat sie nach eigenen Worten mehr als zwanzig Jahre gebraucht - und, was sie nicht dazusagt: Patrick Mage, den ehemaligen Chefredakteur von »Paris-Match«, der aus allem einen lesbaren Text machte. Es ist aber glücklicherweise viel von der naiven Denk- und Ausdrucksweise der Autorin erhalten geblieben, die oft unfreiwillig entlarvend ist, gelegentlich aber selbst kritische Leser nicht unberührt läßt.

In der Widmung, die Brigitte Bardot dem Buch voranstellt, kommen an erster Stelle ihre Hunde, dann die Eltern, dann ihr Sohn. Das spricht Bände. Tiere waren von Kindheit an ihre treuesten Gefährten. Zu ihnen flüchtete sie sich aus der verständnislosen Atmosphäre des großbürgerlichen Elternhauses. Sie halfen ihr über so manche Einsamkeit und Krise hinweg, und das flammende Engagement für die Tiere gab schließlich ihrem Leben einen neuen Inhalt, als sie sich 1974 vom Film trennte, bevor der es mit ihr tat. In der Rolle der Mutter war sie eine glatte Fehlbesetzung. Mit dem Kind wurde sie von ihrem kurzzeitigen Ehemann Jacques Charrier »hereingelegt«. Die Schwangerschaft empfand sie als die schlimmste Zeit ihres Lebens und die Geburt als »Befreiung« von einem »wuchernden Tumor«. Die Passagen, in denen Brigitte Bardot über Charrier und ihren Sohn Nicolas schreibt, haben diese veranlaßt, vor Gericht gegen Autorin und Verlag zu klagen - ohne Erfolg.

Mit treuem Augenaufschlag beklagt Brigitte Bardot das durch die Boulevardpresse genährte Mißverständnis, sie sei

eine Art mannstoller Vamp gewesen. Man möchte ihr glauben, daß sie sich oft einsam und unverstanden gefühlt hat und daß sie darum anfällig war, wenn wieder einmal ein Mann auftauchte, in dessen Armen sie Geborgenheit zu finden hoffte.

Film und Leben voneinander zu trennen, fiel ihr schwer. »In fast jeden meiner Filmpartner habe ich mich spätestens in der ersten Liebesszene prompt verliebt«, bekennt sie verwundert. Sie wollte alles und auch noch das Gegenteil. Das konnte nicht gutgehen. Nervenzusammenbrüche und Krisen, Abtreibungen und Selbstmordversuche - nichts war geeignet, sie einhalten zu lassen oder gar Lehren zu ziehen. Auf lebenshungrig durchtanzte Nächte folgte die Sehnsucht nach Ruhe in ihrem Haus am Meeresufer in Saint Tropez, doch die fand sie selten, denn immer war da die Meute der Fotografen, die sie gnadenlos jagte. Daß dies die andere Seite der Medaille ihres Ruhmes und ihres Marktwertes war, wollte sie sich offenbar nicht eingestehen, auch nicht mit dem zeitlichen Abstand von heute. Das alles ist durchaus interessant und

manchmal sogar spannend zu lesen. Daß Brigitte Bardot schließlich bei einem Mann landete und mit ihm eine noch heute beständige Ehe einging, der zu den engsten Vertrauten des Rechtsextremistenführers Le Pen zählt, war durchaus kein Zufall. Eher beiläufige Bemerkungen über ihre Auffassungen vom Leben und den Menschen bereiten den Leser schon darauf vor.

Für den »großen und integren« General de Gaulle empfand sie eine schwärmerische Bewunderung, und ihm gehörte natürlich ihre Wählerstimme. Die gewöhnlichen Menschen von der Straße sind laut, häßlich und ungepflegt, lassen sich gehen und feiern krank. Das sei »eine Gesellschaft, die Sicherheit verspricht und Degenerierung erzeugt«, stellt Brigitte Bardot fest und folgert: »Ich hoffe, man versteht jetzt, warum ich die Tierwelt vorziehe.«

In langen Passagen beklagt sie den Mangel an »Dienstboten« - sie hat keine Scheu vor diesem Wort, das sie als treffend empfindet -, die noch bereit sind, treu und aufopferungsvoll zu dienen und nicht auf ihrer gewerkschaftlich garantierten Freizeit bestehen, wenn man sie braucht. Auch ihr teuer erworbener Wachhund in Saint Tropez bekommt schlechte Noten, denn er hat mehrfach Einbrecher ungeschoren gelassen. »Vermutlich war er mit sozialistischen Gepflogenheiten aufgewachsen und empfand es als normal, daß jeder ein Stück vom großen Kuchen abbekam«, läßt sie humorig einen Blick in ihr politisches Weltbild tun. Aber Gerechtigkeit muß sein. Auch die katholische Kirche bekommt ihre Seitenhiebe ab, etwa weil sie die Messe in Latein abschaffte.

Einmal gerät Brigitte Bardot durch ihre naiv-selbstbewußte Art, ihre Umgebung herauszufordern, in eine lebensgefährliche Situation. Als die regierungsfeindlichen Militärs der Geheimorganisation OAS von ihr 50 000 Francs fordern, läßt sie diesen Erpresserbrief zusammen mit ihrer barschen Ablehnung in der Zeitschrift »Express« veröffentlichen. Diesen

Mut hatte vor ihr niemand aufgebracht, und das verdient Hochachtung. Daß die Regierung ihr in dieser Situation polizeilichen Schutz versagte und sie private Leibwächter engagieren mußte, war dann allerdings gleich wieder Anlaß, sich ihre abgrundtiefe Verachtung für die Politikerkaste von der Seele zu schreiben.

Da ist doch Jean-Marie Le Pen ein ganz anderer Kerl: »Ein charmanter, gebildeter Mann, der sich genau wie ich über gewisse Dinge entrüstet.« Dazu zählt sie die Frankreich überschwemmenden Ausländermassen sowie die Moscheen und Minaretts, die »die Kirchtürme unserer verlassenen Dörfer verdrängen«. Da ist sie wieder ganz die Brigitte Bardot, wie

die Franzosen sie seit Jahren aus bösen Leserbriefen in rechten Zeitungen und den darauf folgenden Prozessen der Antirassismusorganisationen kennen. Aus Protest haben jetzt einige Bürgermeister in ihren Rathäusern die Gipsfiguren der Marianne entfernt. Für diese Frauenbüste, die die Republik mit ihren Idealen symbolisiert, hatte vor vielen Jahren Brigitte Bardot Modell gestanden. Zum Glück für die Bürgermeister gibt es im Handel noch ein anderes Marianne-Modell. Es trägt die Züge von Brigittes Ex-Kollegin Catherine Deneuve.

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken von Socken mit Haltung und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -