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Gemiedlichgeit
äTäNNSCHN rockt im südlichen Idiom Von Christine Wagner
Runde Brille, runde Mütze, runde Vokale: äTäNNSCHEN will das Prinzip »Gemiedlichgeit« in die deutsche Rockmusik einbringen-harte Aussprache wie harte Umgangsformen sind bei den drei Sachsen verpönt
Foto: Steffi Theunng
»Keener steht off mich« behauptet äTäNNSCHRN aus Leipzig auf ihrer ersten CD Von wegen! Das 1994 gegründete Trio tut, was selbst in Sachsen noch keine Rockband wagte, und singt selbstbewußt Songs in ihrer von aller Welt verspotteten Heimatsprache. Darauf stehen nicht nur diverse Fernsehsender, sondern auch ein erster Fanclub.
Mit dem Auftritt als Vorband zum Auftakt der Prinzen-Tour am 18. April will äTäNNSCHEN weitere Pluspunkte sammeln, um eines Tages so berühmt zu werden wie die Ex-Thomaner. Verwandtschaftliche Beziehungen zwischen beiden Bands gibt es bereits. äTäNNSCHEN-Gründer Lutz Künzel ist der Bruder des Prinzen Tobias. Statt strohblonder Haare hat der Ältere eine Schiebermütze als
Markenzeichen gewählt. »Wir haben aber was Eigenständiges anzubieten«, erklärt Lutz. »Wir machen richtige laute Rockmusik statt a-capella-Gesang.«
Tatsächlich ist die äTäNNSCHEN-Musik härter und reibt sich am Weichen der sächsischen Sprache. Anteil daran hat vor allem Drummer U.P.S. - Uwe Plocinnik -, der mit Wutanfall die erste Punk-Band der DDR gründete. Baßgitarrist Onkel Pe - Dirk Posner - war bei Amor & Die Kids. Und Sänger und Gitarrist Herr Künzel spielte bei Set und Lollipop und probierte jahrelang im Set-Studio sämtliche Stilistiken von Country, Blasmusik bis hin zu Rock- und Diskomusik aus. Da Lutz Künzel lange mit dem Kabarettisten Jürgen Hart - dem Sänger der Sachsenhymne »Sing mei Sachse sing« zusammenarbeitet, lag es auf der Hand, den Sachsenrock aus der Taufe zu heben.
Der Gedanke, äTäNNSCHEN sei eine sächsische Variante der Prinzen, drängt
sich zumindest bei den Texten mit ihren kurzen, nicht sehr tiefgründigen Slogans auf. Das schnelle Abhandeln durchaus auch ernster Themen - äTäNNSCHEN besingt u.a. Mädchenmörder, Schwule, das Freudenhaus und Alkohol am Steuer liegt im Trend der Zeit, nährt aber bei den Musikern die Befürchtung, zwei Zielgruppen eher ungewollt zu bedienen. Aber das sächsische Trio singt weder Blödeleien für den Stammtisch noch Pop für eine bestimmte Altersgruppe. äTäNN-SCHEN möchte eher wie BAP mit ihrem Kölsch die Mentalität der Sachsen widerspiegeln: Das Gemütliche, aber auch die daraus erwachsende Langsamkeit der Sachsen, ihr verschmitzter Humor, das Weiche, die indirekte Art beim Umgang
mit Konflikten. »Wir wollen den Rest der Welt darauf aufmerksam machen, daß der Sachse ein normaler Mensch wie jeder andere ist.«
Die Anerkennung für äTäNNSCHEN steigt, je weiter sich das Trio von Leipzig entfernt. Von den Vorurteilen bei hiesigen Veranstaltern und Musikredakteuren schließen die Musiker darauf, daß es vor allem die Sachsen sind, die sich ihrer Sprache schämen. »Sächsisch ist hierzulande noch immer nicht gesellschaftsfähig. Die Leute von außerhalb wissen inr zwischen, was für ein rührseliges Volk die Sachsen sind«, meint Lutz. Er glaubt, daß das fehlende Selbstbewußtsein politische Ursachen hat. Waltor Ulbricht stammt aus Leipzig.
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