Olympia der Nicht-Olympioniken

Im Juli World Games 2005 in Duisburg / ND stellt in einer Serie die Sportarten vor / Heute: Flossenschwimmen

Das größte Weltsportereignis im Jahr 2005 wird in Deutschland stattfinden. In Duisburg werden vom 14. bis 24. Juli die World Games ausgetragen, quasi das Olympia der nicht-olympischen Sportarten. In 40 Sportarten mit 177 Einzeldisziplinen werden Wettkämpfe ausgetragen. 3500 Sportler aus mehr als 100 Nationen haben sich angesagt - bei Wettbewerben wie zum Beispiel Boule, Tauziehen, Karate, Korfball, Frisbee oder Wasserski. ND wird bis zu den Spielen im Sommer in loser Folge einige der gar nicht so seltenen Sportarten und ihre Protagonisten vorstellen. Heute: Flossenschwimmen
Ein Flossenschwimmer kann genau beschreiben, warum er es bevorzugt, unter Wasser zu schwimmen anstatt an der Oberfläche: »Das Berauschende ist die Geschwindigkeit, die man erreicht«, sagt Yves Rolack. Er ist der Vorzeige-Athlet des Tauchclubs TC FEZ aus Berlin und deutscher Meister im Flossenschwimmen über 400 und 800 Meter mit dem Druckluft-Tauchgerät. Das Flossenschwimmen ist sozusagen die Formel 1 im Wasser: Der deutsche Rekord über 50 Meter Freistil der Schwimmer liegt bei 22,33 Sekunden (Nils Rudolph), der schnellste Flossenschwimmer Dierk Kraft aus Darmstadt braucht für die selbe Distanz nur 17,37, der Weltrekordler Jewgeni Skorjenko aus Russland gar nur unglaubliche 14,19 Sekunden.
Erzielt wird diese gewaltige Geschwindigkeit mit einer etwa 70 Zentimeter breiten Monoflosse. Die Flosse sitzt so eng am Fuß, dass die Athleten die Füße stets mit Spülmittel einreiben, um überhaupt in die schmalen schwarzen Gummi-Fußstücke zu passen. Die Flosse selbst besteht meist aus Glasfiber oder einem anderen Spezialkunststoff.
Im Wasser streckt der Flossenschwimmer die Arme zur besseren Aquadynamik nach vorne und vollführt mit den ganzen Körper wellenförmige Bewegungen. »Vor allem die Bauchmuskulatur sowie Oberschenkel und Waden werden dabei beansprucht«, sagt Yves Rolack. Vier bis fünf mal die Woche ist er im Wasser, gut fünf Kilometer schwimmt er pro Trainingseinheit. Dazu gehört gehört außerdem Kraft- und Ausdauertraining an Land zu seinem Programm. In der Regel kommt er auf zwei Trainingseinheiten am Tag.
Der 23-Jährige kam wie die meisten der 2000 Aktiven in Deutschland eher zufällig zum Flossenschwimmen. »Ich wollte eigentlich Taucher werden«, erzählt er. »Zum Anfang haben wir das Flossenschwimmen geübt. Daran hatte ich so viel Spaß, dass ich dabei blieb.« Mittlerweile hat sich der Berliner, der zur Zeit in Leipzig eine Ausbildung absolviert, in die deutsche Spitze emporgearbeitet. Im vergangenen Jahr schaffte er bei der WM in Shanghai mit der deutschen Staffel Platz sechs und damit die Qualifikation zu den World Games in Duisburg, bei auch die deutschen Frauen antreten dürfen. Nun soll eine Medaille für ihn herausspringen. »Ich hoffe auf eine Staffelmedaille«, sagt Rolack fünf Monate vor dem Wettbewerb.
Geschwommen wird in Duisburg in drei Disziplinen: Streckentauchen, Flossenschwimmen und Druckluft-Tauchgerät (DTG). Beim Streckentauchen über 50 Meter dürfen die Athleten oder Athletinnen mit Flosse und Brille die ganze Zeit unter Wasser bleiben. Beim klassischen Flossenschwimmen kommt ein Schnorchel hinzu, der stets aus dem Wasser ragen muss. Beim DTG schließlich schieben die Flossenschwimmer - die ganze Zeit komplett unter Wasser - eine Pressluftflasche vor sich her, aus der sie atmen können.
In Deutschland ist das Flossenschwimmen vor allem im Osten weit verbreitet. Die besten Athleten trainieren in Leipzig, Rostock und Berlin. Schon zu DDR-Zeiten war die Sportart recht beliebt. Unter dem Dach der »Gesellschaft für Sport und Technik« (GST) wurde das Flossenschwimmen, vor allem auch das Orientierungstauchen, gefördert, nicht zuletzt auch, um geeigneten Nachwuchs für die Nationale Volksarmee herauszufinden.
In der Weltspitze mischen heute vor allem Russland und China mit. Bei den letzten Welttitelkämpfen verblüfften muskelgewaltige Chinesinnen wie 400-m-DTG-Weltmeisterin Zhu Baozhen mit Fabel-Weltrekorden. Doping-Gerüchte machten schnell die Runde. Die deutschen Athleten schafften nur einmal Bronze trotz 18 Endlauf-Teilnahmen. Dennoch war Bundestrainer Lutz Riemann stolz und nannte die Bilanz zufrieden stellend, weil »ohne dubiose Muskelzuwächse« erzielt.
Gleich auf der ersten Seite des Internetauftritts des Flossenschwimmerverbandes sind unter »Wichtige Hinweise für Kadersportler« Links zur NADA (Nationale Anti-Doping-Agentur) gelegt. Ein Dopingskandal wäre das Letzte, was die Flossenschwimmer auf ihrem langen Weg zu den ersehnten Olympischen Spielen gebrauchen könnten. Seit 1986 ist Flossenschwimmen als olympische Sportart anerkannt, gehörte jedoch noch nie zum Olympischen Programm, das bei den Spielen ausgetragen wird. Bei den World Games in Duisburg - zu denen sich auch Schirmherr und IOC-Präsident Jacques Rogge angesagt hat - wollen sich die Flossenschwimmer als olympiareif präsentieren.


Flossenschwimmen
Disziplinen:
50, 100, 200 und 400 Meter bei Frauen und Männern sowie beide 4 x 100 Meter-Staffeln.
Führende Nationen weltweit: China, Russland, Italien, Deutschland.
Hochburgen in Deutschland: SC DHfK Leipzig, TSC Rostock, TC FEZ Berlin, Berliner TSC.
Deutsche Medaillenhoffnungen: Tina Hirschfeldt (Leipzig), Marco Scholz (Rostock)
Austragung: Duisburg, 21. und 22. Juli
Verbände: Verband Deutscher Sporttaucher www.vdst-flossenschwimmen.de, Confédération Mondiale des Activités Subaquatique: www.cmas2000.org.

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