Aufstieg der Jelzin-Tochter
Verwirrt vergleicht der Moskauer Rentner die Preise für in- und ausländische Spirituosen
Foto: Reuter zu warten sein
Immerhin könnten sich die beiden Neulinge auf Kosten des abwesenden Chefs weiter profilieren. Kein Geringerer als der Kremlchef selbst gab ihnen dazu neuen Impuls. Kaum war der Premier in den Urlaub entschwunden, erging sich Jelzin im Lob seiner jungen Kader Tschubais und Nemzow Damit nicht genug, richtete er einen weiteren Schlag gegen Tschernomyrdin per erneuerter Kritik am mächtigen Erdgas-Monopolisten »Gazprom«. Schließlich ist der Premier dessen früherer Chef. Die Versuche zur Umbildung des Konzerns versteht man durchaus als Angriffe auf die Basis und damit auf die Position des Premiers. Über einen möglichen Rücktritt wird bereits öffentlich spekuliert, doch sieht sein Arbeitsplan nach
der Rückkehr wichtige Besuche in den USA und China vor.
Wie über diesen Sturz wird zum wiederholten Male auch über einen Aufstieg spekuliert. So könnte endlich Jelzin-Tochter Tatjana Djatschenko offiziell als Berater des eigenen-Vaters in den Kreml ziehen. Das mochte Tschubais, dem enge bis engste Beziehungen zu der 36jährigen Wahlkampfmanagerin Tatjana Borisowna zugeschrieben werden, nicht ausschließen. Sie ist eine »Vertreterin des gesunden Menschenverstandes in den höchsten Machtstrukturen«, beschrieb er ihre Rolle. Er habe aber keine Insider-Kenntnisse über die Ernennung, gab sich Tschubais vorsichtig.
Ebenfalls noch offen ist das Schicksal der Duma. Das Unterhaus des Parlaments nähert sich nicht nur der zweimonatigen
Sommerpause, sondern vielleicht auch der eigenen Auflösung. Davor hatten vor einigen Wochen nur die Kommunisten gewarnt, nun schweigen nur noch der Präsident und das Verfassungsgericht zu dem heiklen Thema. Nur mit diesen beiden Institutionen wäre aber die Sache zu machen, so daß man durchaus mit Spannung auf ihre Stellungnahme wartet. Drei Varianten zwischen Auflösung und Auseinanderjagen des den Kreml störenden Gremiums machte in der ersten Juniwoche die »Njesawissimaja Gasjeta« aus. An erste Stelle setzte das Blatt die willkürliche und verfassungswidrige Entscheidung Jelzins unter »irgendeinem beliebigen Vorwand«. Der »Garant der Verfassung« wolle sich als »Freund von Helmut, Bill und Jacques« aber kaum ein Verschwinden von zwei Parlamenten in
nur vier Jahren leisten. Das Verfassungsgericht käme bei einer »halbgesetzlichen« Lösung ins Spiel. Es müßte die 5-Prozent-Klausel als Einschränkung des Wählerrechtes einstufen und damit die Legitimität der Duma angreifen. Am Ende könnten erzwungene Neuwahlen des Parlaments stehen. Diese könnte Jelzin auch mit der Beschuldigung verfassungswidriger Praktiken bei Abstimmungen provozieren wollen. Immerhin verweigerte er unter dieser Beschuldigung bereits nach einem zweimal überstimmten Veto die Unterschrift unter tias Gesetz über die »Beutekunst«.
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