Läden schließen wieder wie früher
Neue Öffnungszeiten werden kaum ausgenutzt Von Bernd Kammer
Das Verkaufsgeschäft stockte nur kurzzeitig, als gestern ein Trupp mehr oder weniger elegant gekleideter Damen und Herren in einige der edelsten Boutiquen am Ku'damm stürmte. An der Spitze Wirtschaftssenator Elmar Pieroth (CDU) und Nils Busch-Petersen, Hauptgeschäftsführer des Berliner Einzelhandelsverbandes, die sich nach dem wirtschaftlichen Befinden der Händler ein Jahr nach dem Bundestagsbeschluß zur Liberalisierung der Ladenöffnungszeiten erkundigen wollten.
Die Bilanz fiel eher ernüchternd aus. »Wir kämpfen jeden Tag ums Überleben«, klagt Isa Desiree Hundt, Inhaberin einer Boutique für Damenbekleidung. »Jeder hält sein Geld zusammen, selbst
die, die genug haben.« Die Verlängerung der Öffnungszeiten ab 1. November 1996 habe nicht viel gebracht. Anfangs hatte man jeden Werktag bis 20 Uhr geöffnet, doch mittlerweile wird diese Möglichkeit nur noch donnerstags und freitags ausgeschöpft. »Ansonsten schließen wir wie die anderen Geschäfte hier um den Olivaer Platz um 19 Uhr.«
Weder beim Umsatz noch bei der Schaffung von Arbeitsplätzen wurden die Erwartungen erfüllt. Sieben Mitarbeiterinnen sind in der Boutique Hundt beschäftigt, so viele wie auch vor Verlängerung der Öffnungszeiten. Selbst bei Wegert, wo man die neuen Öffnungszeiten voll ausreizt, wurde die zusätzliche Arbeitszeit nicht in zusätzliche Arbeitsplätze umgewandelt.
Von anfangs etwa 40 Prozent halten jetzt nur noch etwa 30 Prozent der Ber-
liner Einzelhändler ihre Geschäfte länger offen, schätzt Nils Busch-Petersen. Was am Ku'damm oder in den großen Einkaufszentren und Kaufhäusern noch halbwegs funktioniert, bringt in der Schönhauser Allee, in Marzahn oder Lichtenrade kaum was ein. Selbst Galeries Lafayette an der Friedrichstraße will ab Herbst wieder früher dicht machen. »Die Erfahrungen sind nicht berauschend, aber deshalb sollte keiner den Kopf hängen lassen«, versucht Busch-Petersen seine Händler aufzumuntern. Immerhin seien Umsatzrückgang und Abbau der Zahl der Arbeitskräfte - bisher minus 5500 jedes Jahr - gebremst worden. Und wer die neuen Möglichkeiten nicht nutzt, verliert den Wettbewerb mit den Shopping-Centers, warnt Busch-Petersen, Vor allem gehe es darum, daß nicht jeder aufmacht, wie er will, »das verwirrt die Kunden und macht eine Einkaufsstraße kaputt.«
Da ist er sich mit dem Wirtschaftssenator einig. Es gehe nicht unbedingt um 20 Uhr, um mehr Umsatz oder Arbeitsplätze, sondern um das Wohl des Kunden. »Für den machen wir's doch«, appelliert Pieroth an die Berufsehre der Händler. Doch der Kunde zögert noch, das Angebot anzunehmen. Vielleicht, weil er nicht mehr Zeit, sondern mehr Geld zum Einkaufen braucht.
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