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  • Politik
  • ? Interview: Dr. Andreas Bossmann (für PDS), Stadtrat für Bau und Wohnen, Pankow

Soziale Mischung soll erhalten bleiben

  • Lesedauer: 4 Min.

Dr. Andreas Bossmann (40), Theaterwissenschaftler, seit 1995 Baustadtrat in Pankow

Foto: Axel Lenke

? Das Gebiet um die Wollankstraße ist 1994 vom Senat zum Sanierungsgebiet erklärt worden. Was ist seitdem passiert?

Eine Sanierung in einem solchen Ausmaße - das Sanierungsgebiet ist eines der größten Berlins - dauert 15 bis 20 Jahre. Das Aufstellen von sogenannten Blockkonzepten, Konkretisierungsmaßnahmen und Bebauungsplänen passiert nicht innerhalb weniger Monate. Inzwischen sind für fast jeden Block ein Blockkonzept und für zwei Drittel der Blöcke Bebauungspläne erstellt worden. Damit sind die wichtigsten Schritte getan - Bebauungspläne beispielsweise sichern Planungsrechtlichkeit. Außerdem sind mit 19 Häusern bereits rund acht Prozent des Gebäudebestandes saniert worden.

? Durch die zum Sanierungsgebiet gehörende Breite Straße fließt derzeit der größte Teil des Verkehrsstroms. Soll das so bleiben?

Der Durchgangsverkehr aus der City über die Breite Straße in das Umland sowie der Ost-West-Verkehr zwischen Pankow und Wedding über die Wollankstraße ist eines der größten Probleme. Über die Frage, ob sich der Verkehr weiterhin auf die Hauptstraßen konzentrieren sollte und die Wohnstraßen entspannt bleiben, oder ob er auf das ganze Gebiet verteilt werden soll, wird momentan diskutiert.

? Wohin tendiert man?

Zur Zeit wird noch geprüft. Aber es gibt Lösungsansätze - egal, wie das endgültige Konzept aussehen wird: Der Knotenpunkt Mühlen-/Breite Straße wird umgebaut. Auf dem Anger soll eine zentrale Bus- und Bahnhaltestelle errichtet werden. Durch die Bündelung sind alle wichtigen Gebäude direkt zu erreichen, und man kann leicht umsteigen.

? Als Transportmittel dominiert trotz des dichten ÖPNV-Angebots das Auto.

Leider Schon jetzt fehlen rund 300 Stellplätze. In den nächsten Jahren wird sich das unter Umständen verschlimmern. Das öffentliche Straßenland würde völlig zugeparkt werden, und ist als solches nicht mehr zu erkennen.

? Wie wollen Sie das ändern?

Eine Möglichkeit ist das Bauen von Quartiersgaragen. Dafür gäbe es drei Standorte. Eine andere Variante ist die Parkraumbewirtschaftung im Zentrum.

? Wie binden Sie die Bedürfnisse und Lebensumstände der Menschen in die Sanierung ein?

Eine von uns in Auftrag gegebene Sozialstudie hat bewiesen, daß das Sozialmilieu eine »gesunde Mischung« darstellt und in jedem Fall erhalten werden muß. Um den Schutz des Milieus zu gewährleisten, müssen die Instrumentarien der sozialen Stadterneuerung eingesetzt werden.

? Was heißt das?

Beispielsweise durch die Festsetzung von Mietobergrenzen. Nach der Sanierung steigen die Mieten, aber nur bis zu einer Höhe von 8,50 bis 9 Mark Netto

kalt. Damit wird das soziale Milieu erhalten. Außerdem muß der Klein- und Einzelhandel geschützt werden. Dazu müßten auch für Gewerbemieten Mietobergrenzen eingeführt werden. Darüber haben wir aber noch keine ausreichenden Daten.

? Wie können sich die Bürger in den Sanierungsprozeß einbringen?

Bevor überhaupt ein Bebauungsplanverfahren eingeleitet wird, wird vorab in sogenannten Erörterungsversammlungen über die Inhalte diskutiert. Daran haben sich bisher sehr viele Bürger beteiligt. Zum anderen informieren wir die Mieter über ihre sozialen Rechte, die viele gar nicht kennen. Und wir haben eine offene Mieterberatung eingerichtet, wo Sanierungsbetroffene ihre Probleme loswerden können.

? Eine Studie hat die Lebenssituationen von Frauen näher untersucht und ist zu dem Ergebnis gekommen, daß Frauen von der bisherigen Stadtplanung wenig berücksichtigt wurden. Wie sieht das jetzt aus?

Frauenprobleme behandeln wir wie alle anderen Probleme auch. Unsere Sozialstudie hat ergeben, daß beide Geschlechter etwa die gleichen Prioritäten setzen bzw Mißstände benennen. Trotzdem wird weiblichen Interessen Aufmerksamkeit geschenkt, beispielsweise bei der besseren Beleuchtung von Stra-ßen und Parks oder dem Errichten von Spielplätzen in unmittelbarer Wohnnähe. Bei der Umsetzung der Sanierungsmaßnahmen sind teilweise mehr Frauen als Männer beteiligt: So arbeiten in meiner Sanierungsverwaltungsstelle 75 Prozent Frauen, die ihre weibliche Sicht offensiv einbringen.

Gespräch: Simone Schmollack

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