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  • Politik
  • ? Zur Debatte um das ND-Interview mit General a.D. Joachim Goldbach

Das alte Dilemma mit der DDR-Vergangenheit

  • Lesedauer: 4 Min.

Zu Christina Mattes Interview mit Generaloberst a.D. Joachim Goldbach (ND vom 12./13. Juli) und Reaktionen auf der Leserbriefseite vom 22. Juli):

Die Fragen und Antworten haben zuallererst erneut das alte Dilemma des Umganges mit der DDR-Vergangenheit zum Inhalt. Man könnte meinen, dieses Thema erledige sich mit dem sinkenden Interesse der gesamtdeutschen Öffentlichkeit von allein. Für die jüngere Generation ist die DDR schon heute nur noch »graue Vorzeit« - Geschichte also. Nein, das Dilemma hat mit der Mitgliederstruktur der PDS zu tun unabhängig, ob Herr Goldbach Mitglied der PDS ist oder nicht. Inhalt und Weise der öffentlichen Diskussion - im ND oder auf öffentlichen Foren - reiben sich immer wieder an der »Gretchenfrage« an die Mitglieder oder Sympathisanten der PDS: »Wie hältst Du es mit der Vergangenheit?«

Die Antworten von Herrn Goldbach weichen auf die bekannten drei Bereiche aus, die am Ende bloße Selbstverteidigung, besser wohl Rechtfertigung sind: 1 Nach dem 2. Weltkrieg gab es eine neue Hoffnung, die konsequent angenommen wurde.

2. Politisches Handeln in der Welt wurde durch den Kalten Krieg bestimmt. Der Zufall des Wohnortes bestimmte in hohem Maße die Zugehörigkeit zur einen oder anderen Seite.

3. Es standen sich zwei gleichberechtigte und somit gleichwertige Staaten gegenüber, in deren Opferrolle der jeweilige Bürger einbezogen war.

Wenn ich auch in Zukunft das politische Leben in der DDR auf diesen Nenner bringe, bedarf es zum Thema der soge-

nannten Vergangenheitsbewaltigung keinerlei weiterer Diskussion. Dann hat jeder seine Erklärung, die wird gegenseitig vorgetragen, und die Erkenntnis bleibt für jeden dort, wo sie schon immer war. Nach mehr als einer Generation hat sich die Problematik dann biologisch erledigt: Es gibt niemanden mehr, der sein'e Positionen zum Leben in der DDR gegenseitig vorträgt. Von der Geschichte übrig bleiben wird die Aussage, daß einer von zwei verfeindeten deutschen Staaten unterging. Und der Logik des Lebens folgend bleibt die Erkenntnis: Übrig blieb der bessere deutsche Staat - weil eben überlebensfähig. Diese Denkweise ist zwar zu kurz gedacht, eben weil damit eine historisch exakte Beschreibung entfällt. In

der Erfahrung der Bürger allerdings bleibt dieses vereinfachende Denkmuster haften.

Bei allem Verständnis für den persönlichen und beruflichen Entwicklungsweg, wie ihn Herr Goldbach gegangen ist, bei allem Verständnis für die Verbitterung angesichts des zu erwartenden Freiheitsentzuges. Die Antworten von Herrn Goldbach zeugen weder von der Tatsache, daß ein General der DDR in sehr hoher Verantwortung stand, noch von der Erkenntnis, daß das Lebenswerk von Menschen wie Generaloberst a.D. Goldbach an den Widersprüchen gescheitert ist, die sie in hohem Maße mitzuverantworten haben. Das gilt auch für alle die unzählbar vielen Lebensgeschichten, in denen sich der einzelne nur als das sogenannte kleine Rädchen im Weltgetriebe empfand. Diese Verantwortlichkeit auch Schuld - wird nicht dadurch relativiert, daß man ja einem guten Ziel dienen wollte. Ein Ziel, bei dem die Vervollkommnung der menschlichen Gesellschaft mit der groben Verletzung von Menschenrechten einhergeht, stellt sich selbst in Frage.

Solange die Diskussion in der PDS im ND bundesweit ausgetragen von breiten Teilen ihrer Mitgliedschaft - aus dem Denkschema von Generaloberst a.D. Goldbach geführt wird, werden sich junge Menschen und auch Bürger, die noch vollständig im beruflichen Leben stehen, fragen, in welcher Gesellschaft und in welchem politischen Gemeinwesen, also welchem Staate die PDS wirken will. Eine klare Aussage zum politischen Gemeinwesen DDR ist dafür unerläßlich - auch wenn es persönlich, vielleicht schmerzhaft, berührt.

Ernst Kühne 1587 Riesa

Meines Wissens wurden beide von quotiert gewählten Parteitagsdelegierten gewählt, Andre Brie vom quotiert gewählten BundesvQrätand berufen. Und dies ist alles durchaus demokratisch. Wie sich ein Wahlbüro konstituiert, entzieht sich meiner Kenntnis. Es entzieht sich aber auch oft meiner Kenntnis, wie sich andere Gremien konstituieren, auch die, die nur von Frauen bestimmt sind. Stehen Frauen immer auch für Frauenpolitik? Oder zwingen die neuen Strukturen schon wieder zur Anpassung an die Welt der Männer?

Gudrun Israel 10249 Berlin

Wieder haben Sie in Ihrer heutigen Ausgabe ein wichtiges Problem angesprochen. Dankeschön, denn auch ich bin eine Frau. Doch ich bin auch so ehrlich zu sagen, daß das darin Angesprochene noch viel stärker auf die Behindertenbewegung zutrifft. Da scheinen ganz wesentliche Beschlüsse der PDS einfach wieder »vergessen« worden zu sein. Einige entscheidende Funktionäre der PDS haben es sehr schnell gelernt, für sie unbequeme Dinge einfach »auszusitzen«. Allerdings frage ich mich auch, was die AG Selbstbestimmte Behindertenpolitik dazu zu sagen hat. Oder gibt es sie beim Parteivorstand nicht mehr?

Ilona Lehnert 14169 Berlin

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