- Politik
- Zum Tode von Arno Wyzniewski
Schauspieler von anrührender Präzision
Foto: Fiequth
Ein markantes Gesicht wird am Berliner Ensemble nicht mehr zu sehen sein, eine unverwechselbare Stimme nicht mehr zu hören. Der Schauspieler Arno Wyzniewski, bekannt auch von Film und Fernsehen, ist im Alter von 58 Jahren verstorben. Ein Unbestechlicher hat die Bühne für immer verlassen.
Arno Wyzniewski hatte eigentlich Schiffbauingenieur werden wollen. Aber von der Hochschule in Rostock war keine Antwort gekommen. Unerwartet wurde wichtig, daß er während seiner Oberschulzeit als Sprecherkind beim Kinderund Pionierfunk wirkte. Dort konnte man sich den Arno als Schauspieler vorstellen. Er selbst nicht unbedingt, aber seine Mutter Sie holte ihm die Bewerbungs-Unterlagen von der Berliner Schauspielschule in Schöneweide. »Es war ja für Arbeiter damals wirklich noch was ganz Besonderes, wenn ihre Kinder überhaupt Abitur und dann auch noch ein Studium machen konnten.« Er sei damals in einem
Zustand gewesen, sagte er mir 1986, in dem er das alles nicht so ganz ernst genommen habe. Offenbar nicht einmal die Prüfung. »Ich hatte kaum Atem geholt, da wurde ich schon unterbrochen. >Bevor Sie überhaupt anfangen^ sagte ein gestrenger Herr, mehmen Sie mal die Hände aus der Hosentasche<«.
Vielleicht hielt Wyzniewski auch später, wenn er auf der Bühne stand, immer eine Hand ein wenig in der Hosentasche. Jedenfalls hatte sein bestimmtes, klares Spiel stets auch einen zarten Hauch von Beiläufigkeit. Der sehr jung wirkende, hagere Schauspieler, der die Schule 1959 als Absolvent verlassen hatte, schien zunächst prädestiniert für Rollen des jugendlichen Liebhabers. Aber bald war der Gestus eines sachlichen, vernünftigen Mannes geradezu sein Markenzeichen. Er baute nur eben nicht Schiffe, sondern Menschen. Dies mit faszinierender, anrührender Präzision. Er strahlte Aufrichtigkeit aus, Lauterkeit, Wärme, weckte Zutrauen zu seinen Figuren. Er war der lakonische Intellektuelle und zugleich armer Leute Kind. Kein Zufall, daß, war
irgendein Parteiarbeiter im Stück zu besetzen, dem Regisseur Arno Wyzniewski einfiel. Zuletzt gab er den altruistischen Landrat in Heiner Müllers »Bauern« und - Ironie der Geschichte - Walter Ulbricht in Müllers »Germania 3«.
Im Verlaufe seines Künstlerlebens hatte Arno Wyzniewski seinen streng, zunehmend auch etwas leidend wirkenden Typ vielen Gestalten geöffnet. Am Potsdamer Hans-Otto-Theater hatte er 1964 als ein überlegen ironischer Hamlet zum ersten Mal auf sich aufmerksam gemacht, Wenig später, am Maxim Gorki Theater, war sein Wassili in Rosows »Am Tage der Hochzeit« ein leidenschaftlicher, he-
stechend ehrlicher junger Bursche. An der Volksbühne ab 1966, wo ihn Erkrankung hinderte, sein Talent voll zu entfalten, gab er u.a. den Mattukat in »Moritz Tassow« von Peter Hacks, den Marat in »Die Verfolgung und Ermordung Jean Paul Marats« von Peter Weiss, den Karl Moor in den »Räubern« von Schiller, den Merkur in Offenbach/Hacks Operette »Die schöne Helena«.
Inzwischen war Wyzniewski ein begehrter Darsteller bei Film und Fernsehen. Gar nicht möglich, hier auch nur die wesentlichsten Rollen aufzuzählen. Erinnert sei an Iwagin in »Zement«, an den Lehrer in »Die unheilige Sophia«, an Pinneberg in »Kleiner Mann - was nun?«, an den Preußen-König in »Sachsens Glanz und Preußens Gloria«, an den Überläufer in »Die Abenteuer des Werner Holt«.
1977 wechselte Wyzniewski zum Berliner Ensemble. Hier brillierte er 1978 als Kardinal Inquisitor in Brechts »Galileo Galilei« (Regie Manfred Wekwerth), verbarg er lauernde, kalte Intelligenz hinter umgänglicher Freundlichkeit. 1980 war er in Schatrows »Blaue Pferde auf rotem Gras« (Regie Christoph Schroth) ein unkonventioneller Lenin. 1981 gab er den Peachum in Brechts »Dreigroschenoper« (Regie Wekwerth/Zschiedrich) als einen Mann von verbissener Bärbeißigkeit.
Auch die schwärzeste Figur, sagte Arno Wyzniewski einmal, sehe ich dialektisch. Das hatte ihn als Schauspieler geprägt. Immer suchte er den Menschen. Wir werden ihn vermissen.
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