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Genossenroulette in Stuttgart 1

PDS verzichtet in baden-württembergischem Prestigewahlkreis auf Kompetenz Wahlkampf Von Wolfgang Hübner

  • Lesedauer: 3 Min.

Komplizierte Kandidatenkür bei der PDS irr Baden : Württemberg: Nachdem der Bundestagsabgeordnete Winfried Wolf schon für die Landesliste ernsthafte Konkurrenz bekam, endete auch seine Bewerbung um eine Direktkandidatur in Stuttgart mit einer Überraschung.

Der Bundestagswahlkreis Stuttgart 1 ist so etwas wie eine Prestigeangelegenheit. Auf seinem Territorium soll ein Verkehrsprojekt namens »Stuttgart 21« durchgezogen werden, ein seit langem heiß umstrittenes, fünf Milliarden Mark schweres Vorhaben. Die Einwohner sind hochsensibilisiert, und Beobachter meinen, daß der Grüne Rezzo Schlauch bei der letzten Oberbürgermeisterwahl unter anderem deshalb auf sensationelle 42 Prozent gekommen war, weil er sich als einziger strikt gegen das Großprojekt ausgesprochen hatte.

Mit entsprechendem Einsatz gehen die großen Parteien in den Bundestagswahlkampf. Selbstverständlich will Rezzo Schlauch wieder Punkte für die Bündnis-

grünen in Stuttgart 1 holen; die SPD schickt den parteilosen Chef des Wuppertal-Instituts Ullrich von Weizsäcker ins Rennen, und für die CDU tritt Hans Jochen Henke an, Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium. PDS-Direktkandidat wollte der aus Baden-Württemberg stammende Bundestagsabgeordnete und Verkehrsexperte Winfried Wolf werden, der in einer Bürgerinitiative gegen das Großprojekt mitarbeitet. Er habe der Stuttgarter PDS langfristig seine Bereitschaft zur Kandidatur mitgeteilt, sagte Wolf gegenüber ND, und sei bis zur Kandidatennominierung in der letzten Woche davon ausgegangen, daß die Bewerbung begrüßt werde. Erst mitten in der Versammlung habe sich ein weiterer Anwärter den 13 anwesenden von insgesamt 27 Stuttgarter Genossen vorgestellt und die Wahl schließlich gewonnen.

Der Sieger - der Politikstudent Max Eifler, der seit Jahren die PDS-Landesgeschäftsstelle leitet - nennt als erstes Argument für seine Kandidatur, man habe einen Kandidaten direkt aus Stuttgart gewollt. Doch er räumt auch politische Differenzen ein, beispielsweise über Wolfs Herkunft aus einer Gruppe der IV Internationale. Dessen Freunde be-

fürchten, daß die PDS mit dem relativ unbekannten Kandidaten Eifler kaum Öffentlichkeitswirkung erreichen wird. Wolf 'selbst, der 1994 als prominenter Kandidat ohne PDS, : Mjtgliedsbuch gewonnen, worden war, muß nun um seinen Wiedereinzug in den Bundestag bangen. Denn auch für Platz 1 der Landesliste hat sich mit der früheren Grünen-Europaabgeordneten Dorothee Piermont Konkurrenz gemeldet. Piermonts Kandidatur wird in der PDS-Spitze freudig begrüßt, Bundesgeschäftsführer Dietmar Bartsch sieht darin eines der erhofften Signale für die Öffnung der Partei. Daß die Stuttgarter Genossen nicht mit Wolf antreten wollen, sei jedoch politisch falsch. Zumal der mit seiner Arbeit im Verkehrs- und Immunitätsprüfungsausschuß als einer der Aktivisten der Bundestagsgruppe gilt. Vielleicht, hofft die Parteispitze, schafft die PDS in Baden-Württemberg zwei Mandate. Dazu müßte sie sich allerdings erheblich steigern; bei der Bundestagswahl 1994 erreichte sie 0,8 Prozent. Heute will sich Winfried Wolf erst einmal bei der Mannheimer PDS um eine Direktkandidatur bewerben. Auch in dieser Stadt gibt es mit »Mannheim 21« ein umstrittenes Großprojekt.

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