Wer mit wem Castor transportiert
Die bundesdeutsche Atomwirtschaft ist untereinander eng verflochten Von Jürgen Siebert
Die in einem Überraschungscoup am Donnerstag und Freitag in das Zwischenlager Ahaus transportierten sechs Castor-Behälter kommen aus den süddeutschen AKW Gundremmingen und Neckarwestheim. Der hochradioaktive Atommüll ist das brisanteste Resultat einer verfehlten Energiepolitik.
Während der Transport von Süden nach Nord-Westen rollte, saßen die Verantwortlichen in den Zentralen der Energieversorgungsunternehmen (EVU), lamentierten über die Proteste und ließen diese von mehr als 30 000 Polizisten und Bundesgrenzschützern in Schach halten.
Das AKW Gundremmingen (Blöcke B und C) befindet sich im Eigentum der Kernkraftwerk Gundremmingen Verwaltungsgesellschaft mbH, die das AKW an die Kernkraftwerk Gundremmingen Betriebsgesellschaft mbH (KGB) verpachtet. Gesellschafter der KGB wiederum sind die Bayernwerke AG (25 Prozent) sowie die RWE Energie AG (75 Prozent).
Einer der Verantwortlichen für den Castor-Transport ist der Vorsitzende des Vorstandes des AKW-Betreibers Bayern-
werk AG, Dr. Otto Majewski, der von 1977 bis 1988 im bayerischen Finanzministerium zuständig für Industriebeteiligungen war und dessen Einzug in den Vorstand der Bayernwerke als Belohnung gesehen werden kann. Weitere Posten hat er unter anderem als Vorsitzender des Aufsichtsrates der Isar-Amperwerke AG und der CONTIGAS Deutsche Energie AG. Majewski ist auch Mitglied des Aufsichtsrates der Berliner Bewag sowie der ostdeutschen VEAG (Vereinigte Energiewerke AG), er sitzt im Beirat der PreussenElektra AG und im Regionalbeirat Bayern der Dresdner Bank AG. Die Nutzung der Atomenergie ist seiner Meinung nach für das Bayernwerk »auch künftig eine wichtige ökologische und ökonomische Option, die es nutzen möchte.« Konsequent lehnt Majewski die Schaffung von Atomlagern an den AKW-Standorten mit dem Hinweis auf die Zwischenlager in Ahaus und Gorleben ab. Auch der Bau eines Zwischenlagers in Süddeutschland komme für ihn nicht in Frage.
Die RWE Energie AG– der andere Betreiber von Gundremmingen - wird von Roland Farnung geführt (Aufsichtsrat der Vereinigte Elektrizitätswerke Westfalen AG - VEW, der Rheinbraun AG sowie der VEAG.) Vorstandskollegen von Farnung sind neben anderen Dr. Rolf Bierhoff (Aufsichtsrat der Veba Kraftwerke
Ruhr AG sowie der Steag AG) und Prof. Dr. Werner Hlubeck (Vorsitzender des Aufsichtsrates der Kernkraftwerke Gundremmingen Betriebsgesellschaft mbH, Aufsichtsrat der Nukem GmbH, der Rheinbraun AG sowie der VEAG.)
Das AKW Neckarwestheim wird von der Gemeinschaftskernkraftwerk Neckar GmbH betrieben, deren Gesellschafter sind die Deutsche Bahn (DB) AG (18 Prozent), die Energie-Versorgung Schwaben AG (9), die Neckarwerke Elektrizitätsversorgungs AG (41), die Technische Werke der Stadt Stuttgart AG (29) sowie die ZEAG Zementwerk Lauffen - Elektrizitätswerk Heilbronn (3 %). Die verantwortlichen Manager für das AKW Nekkarwestheim sind Dr. Hans Wiedemann und Dr. Werner Zaiss. Beaufsichtigt werden sie von Dr. Reinhold Mäule (Mitglied des Vorstandes der Neckarwerke Elektrizitätsversorgungs AG) und Prof. Dr. Otto Hasenkopf (Mitglied des Vorstandes der Technische Werke der Stadt Stuttgart AG).
Transporteur der strahlenden Fracht ist die Nuclear Cargo + Service GmbH (Hanau), eine hundertprozentige Tochter der Deutschen Bahn AG. Aus dem Kreis der Aufsichtsräte des Atomtransporteurs sind zu nennen: Hermann Franz (gerade abgelöster Vorsitzender des Aufsichtsrates der Siemens AG, Aufsichtsrat der Al-
lianz AG, der Deutsche Bank AG und der Thyssen AG), Dr. Hermann Krämer (Mitglied des Vorstandes der Veba AG, Aufsichtsrat der PreussenElektra AG und der Deutschen Babcock) sowie Friedel Neuber (Vorsitzender des Vorstandes der Westdeutsche Landesbank AG, Vorsitzender des Aufsichtsrates der Deutschen Babcock, der Preussag AG und der RWE AG, Aufsichtsrat bei Steag und VIAG).
Die Bahn wird mit der strahlenden Fracht nicht allein gelassen, Mitorganisator ist die Nukleare Transportleistungen GmbH (NTL), mit Sitz in Hanau. Gesellschafter der NTL sind die britische International Nuclear Fuels plc (7,5 Prozent), die RSB Logistik GmbH (42,5) eine lOOprozentige RWE-Tochter -, die französische Transnucleaire S.A. (7,5) eine Tochter der Cogema S.A. - sowie die Gesellschaft für NuklearService mbH (GNS) mit 42,5 Prozent Anteil.
An der GNS - der Kreis schließt sich sind wiederum die großen Energieversorger beteiligt: RWE Energie (24 Prozent), Bayernwerk (24), PreussenElektra AG (24), Südwestdeutsche Nuklear-Entsorgungs Gesellschaft mbH (18,5), VEW Energie AG (4) und die HEW - Hamburgische Electricitäts-Werke AG (5,5).
Die GNS ist zugleich Eigentümerin des Geländes, auf dem das Atommüllendlager Gorleben gebaut wird und unter anderen
an folgenden Firmen beteiligt: Brennelement-Zwischenlager Ahaus GmbH (55 Prozent), Brennelementlager Gorleben GmbH (100), Gesellschaft für Nuklearbehälter mbH - GNB (55).
Die GNB wiederum ist der weltweite Marktführer (80 Prozent Anteil) und der einzige deutsche Hersteller für Brennelementbehälter, die Castoren. Der - neben der GNS - zweite Gesellschafter der GNB ist die Nukem GmbH, eine lOOprozentige RWE-Tochter. Die Nukem war 1987 in den Hanauer Uranskandal verwickelt.
Zu guter Letzt die Verhältnisse in Ahaus: Die Gesellschafter der Brennelement-Zwischenlager Ahaus GmbH ist neben dem 55-Prozent-Anteil der GNS die Steag Kernenergie GmbH (45). Letztere wiederum ist eine lOOprozentige Tochter der Steag, an der wiederum über die Gesellschaft für Energiebeteiligungen mbH RWE Energie, VEBA Kraftwerke Ruhr und VEBA AG beteiligt sind.
Ihre Arbeit in den verschiedenen Gremien lassen sich die Castor-Transporteure mit viel Geld versüßen. Einige Beispiele: Majewski bekommt als Vorstandschef mindestens eine Million Mark jährlich, bei der Bewag kassiert er nochmals 20 000 Mark und als Beirat der PreussenElektra AG 30 000 Mark. Farnung bezieht als Chef der RWE Energie AG ein Jahresgehalt von rund 900 000 Mark, als Aufsichtsrat der VEW weitere 44 000 DM. Multifunktionär Friedel Neuber bezieht neben seinem Jahresgehalt noch Tantiemen von der Preussag (94 000 Mark), der RWE AG (75 000 Mark), der Steag (15 000 Mark) und der VIAG (68 000 Mark).
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