Eigensinnig

Lutz Dammbeck

  • Lesedauer: 2 Min.
Der Künstler erhält heute den Käthe-Kollwitz-Preis der Akademie der Künste.
Zusammenhänge von Kunst, Macht, Wissenschaft und Philosophie reflektiert Lutz Dammbeck in seinem »Herakles-Konzept«. Ein Geschichte vergegenwärtigendes Gesamtkunstwerk, das er seit rund drei Jahrzehnten wachsen lässt: in Form von Bildern, Collagen, Filmen, Installationen. Das Grimmsche Märchen vom »Eigensinnigen Kind« und Heiner Müllers Text »Herakles oder Die Hydra« aufnehmend, drehte es sich 1977 schon darum, »wie sich jemand einer Norm entzieht und Widerstand leistet«, so Dammbecks kurzgefasste Beschreibung. Von Anfang an war der gebürtige Leipziger (Jahrgang 1948), der an der Hochschule für Grafik und Buchkunst studierte, ein »eigensinniges Kind« - als Maler und Medienkünstler, Autor und Regisseur. Jahrelang beargwöhnt und behindert von den DDR-Offiziellen, nahm er 1986 seinen Wohnsitz in Hamburg. Ein Ausweis seiner besonderen Widersetzlichkeit auch der zum »Herakles-Konzept« gehörende Dokumentarfilm »Das Netz«, der im Januar dieses Jahres ins Kino kam, und die 2003/04 im Berliner Martin-Gropius-Bau ausgestellte Installation »Herakles Konzept: cabin«. »Cabin« steht für Hütte. Dammbeck hatte die bis 1996 geheime Einsiedelei des Mathematikprofessors Ted Kaczynski nachgebaut. Dieser Gefangene im »Netz«, der versuchte, aus der industriellen Gesellschaft auszusteigen, der zur Revolution gegen den technologischen Fortschritt aufruft, der die Menschheit versklave, ist, des Terrorismus verdächtigt, zu lebenslanger Haft verurteilt: Als »Unabomber« hat er Anschläge gegen Personen aus Wissenschaft, Kunst, Militär und Computertechnologie verübt. Dammbeck, seit 1998 Professor für Medientechnologie an der Kunsthochschule Dresden, recherchierte zum Thema Kunst und neue Technologien, als er - per Laptop! - den Ursprüngen des Internets, bedrohlichen Interessen- und Machtverknüpfungen zu einem weltumgreifenden »Netz« auf die Spur kam - und in Kontakt mit Kaczynski. Wie ein »Hans im Glück« mit umgekehrten Vorzeichen hat »Lutz im Netz« eine Quelle der Weltherrschaftsambitionen des militärisch-industriellen Komplexes der USA aufgetan. Diese wie auch Dammbecks andere aufklärerische Arbeiten werden zu Recht in der Tradition einer Käthe Kollwitz gesehen. Marion Pietrzok
App »nd.Digital«

In der neuen App »nd.Digital« lesen Sie alle Ausgaben des »nd« ganz bequem online und offline. Die App ist frei von Werbung und ohne Tracking. Sie ist verfügbar für iOS (zum Download im Apple-Store), Android (zum Download im Google Play Store) und als Web-Version im Browser (zur Web-Version). Weitere Hinweise und FAQs auf dasnd.de/digital.

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal