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Die Linke strebt nach »Fullveldi«

Vizeregierungschef Høgni Hoydal im ND-Interview

  • Lesedauer: 3 Min.
ND: Die Regierungskoalition hat jetzt drei Jahre Richtung Unabhängigkeit gearbeitet. Was hat sie erreicht?

Auch wenn die direkte Unterstützung in der Bevölkerung dafür vielleicht geringer geworden ist, so sind immer noch etwa 75 Prozent aller Färinger für »Fullveldi«, die färöische Souveränität. Aber dieser Prozess verlangt vernünftige Übergangszeiten, die uns die dänische Regierung nicht einräumen will. Deren Auslegung, dass wir noch 15 Jahre nach der Souveränitätserklärung dänische Steuergelder für uns haben wollen, ist einfach falsch. Wir sprachen über vielleicht sieben oder acht Jahre, wenn nötig auch vier, aber man muss über konkrete Zahlen und Schritte auf dem Weg dahin reden. Doch so weit kamen wir in unseren Verhandlungen nie und mussten sie daher abbrechen.

ND: Wie beurteilen Sie die Aussichten Ihrer Koalition bei den Wahlen im nächsten Frühjahr?

Ich bin davon überzeugt, dass sie uns wieder die Mehrheit bringen werden. Es wird nicht nur eine turnusmäßige Wahl werden, sondern gleichzeitig eine Volksabstimmung über Souveränität und Eigenverantwortlichkeit der Färinger.

ND: Selbstbestimmung und Eigenverantwortlichkeit - Begriffe, die immer wieder in Ihren Argumentationen auftauchen.

Mit den färöischen Erfahrungen der letzten 100 Jahre kann das nicht anders sein. Wir mussten uns alles erkämpfen - zuerst das Recht, unsere Sprache in Schule und Kirche zu benutzen. Dann, über unsere inneren Angelegenheiten selbst zu bestimmen, und jetzt geht es um ökonomische Absicherung. Mit dem gegenwärtigen Selbstverwaltungsmodell haben wir schlechte Erfahrungen gesammelt. Seit 1948 war die Autonomieregierung dreimal kurz vor dem Bankrott. Der Grund war einfach. Wir bekamen die Rechte, selbst zu entscheiden, doch nicht die Pflicht, selbst für die Finanzierung unserer Beschlüsse zu sorgen. Das Geld dazu kam und kommt teilweise immer noch aus Kopenhagen. Dieses Sicherheitsnetz hat dazu geführt, dass der färöische Verbrauch konstant 10 bis 20 Prozent über den Einnahmen lag und das Wirtschaftsleben komplett von Subsidien abhängig war. Das hat unsere Koalition geändert. Es gibt keine Subsidien mehr - da können sowohl Dänemark als auch die EU von uns lernen.

ND: Wirtschaftsminister Bjárni Djurholm von der Volkspartei plant umfangreiche Privatisierungen.

In diesen Fragen sind wir ideologisch sehr weit entfernt von unserem Koalitionspartner. Prinzipiell meinen wir, dass die Fischerei privat und ohne Subsidien betrieben werden soll. Dabei müssen Beschäftigte sowie Gewerkschaften die Möglichkeit haben, die Entwicklung mit zu prägen. Post, Telekommunikation und andere infrastrukturelle Bereiche betrachten wir als staatliche Aufgabe. Falls es Privatisierungen geben sollte, müssen die Erlöse in einem Fonds platziert werden, der Eigentum des färöischen Volkes ist. Gewisse staatliche Aufgaben können privat ausgeführt werden, müssen aber der öffentlichen Kontrolle unterliegen.

ND: Führt der Weg einer eventuellen Selbstständigkeit der Färöer, einer Nation von 45000 Menschen, in der globalisierten Welt nicht in die Isolation?

Nein, im Gegenteil. Erst dann können wir als gleichberechtigte Partner etwa mit der EU über die wichtigen Fischressourcen verhandeln. Heute ist es so, dass die EU unbeschränkte Freihandelsrechte hat, während unseren verarbeiteten Erzeugnissen Quoten auferlegt sind. So lange unsere Abhängigkeit von den Fischvorkommen so total ist, kann es auch keinen Weg in die EU geben, weder als Teil Dänemarks noch als souveräner Staat. Wir wollen uns nicht isolieren und sind uns im Klaren darüber, dass die Welt nicht zu uns kommt, sondern wir in die Welt hinaus müssen.

Fragen: Andreas Knudsen
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