Schläge und Tritte bei Polizeieinsatz

Familienvater drohte bei Abschiebung mit Selbsttötung

  • Reimar Paul
  • Lesedauer: 2 Min.
Flüchtlingsinitiativen haben gestern in Göttingen gegen die Verhaftung eines Familienvaters und seine geplante Abschiebung in die Türkei protestiert. Bei der Festnahme von Ahmed Saado war es am Mittwoch vor der Wohnung der Familie in der Gemeinde Ossenfeld zu Auseinandersetzungen zwischen Angehörigen, Demonstranten und der Polizei gekommen.
Nach Darstellung der Polizei entwickelte sich der »dramatische Einsatz eher zufällig«. Die Beamten hätten zunächst wegen eines Trickdiebstahls ermittelt, der Tat verdächtig sei einer der Söhne Saados. Bei der geplanten Hausdurchsuchung in Ossenfeld habe man den mit Abschiebehaftbefehl gesuchten Ahmed Saado angetroffen, sagte Polizeisprecherin Jasmin Kaatz. »Die Sache mit dem Trickdiebstahl war nur ein Vorwand, um in das Haus zu gelangen«, mutmaßt indes der Göttinger Arbeitskreis Asyl. Nach Augenzeugenberichten entwickelte sich auf dem Grundstück eine »regelrechte Schlägerei«. Ein Sohn Saados sei am Auge verletzt worden, ein Polizist habe Tritte gegen den Kopf erhalten. Die Polizei sprach von drei verletzten Beamten. Während des mehrstündigen Polizeieinsatzes hielt sich Ahmed Saado ein Messer an den Hals und drohte mit seiner Selbsttötung. Erst nachdem sich ein Sondereinsatz-Kommandos zum Sturm auf die Wohnung vorbereitete und auf Drängen seiner Rechtsanwälte verließ Saado schließlich das Haus und ließ sich abführen. »Nach der Polizeiaktion ist Ahmed Saado gestern abend in der Polizeiwache zusammen gebrochen und in die Uni-Klinik gebracht worden«, berichtet AK Asyl-Sprecher Volker Nüsse. Der Arbeitskreis forderte die Freilassung Saados. Gesundheitsgutachten machten eine Ausweisung unmöglich, hieß es. Für Donnerstag war ein Haftprüfungstermin vor dem Amtsgericht angesetzt. Auf Veranlassung der Ausländerbehörde des Kreises Göttingen hatte die Polizei Saado bereits im vergangenen Jahr in Ossenfeld verhaftet und nach Hannover gebracht. Die Abschiebung scheiterte, weil Saado dort einen Zusammenbruch erlitt und im Krankenhaus behandelt werden musste. Seitdem hielt sich Saado versteckt. Die Familie Saado kam vor 20 Jahren aus dem Libanon nach Deutschland. Vier der sieben Kinder wurden in der Bundesrepublik geboren. Der Landkreis Göttingen geht von einer türkischen Staatsangehörigkeit der Familie aus und will sie in die Türkei abschieben. Für einige Kinder wurden beim türkischen Konsulat in Hannover bereits Ausreisepapiere unter neuen türkischen Namen beantragt. Die Betroffenen stammen nach eigenen Angaben aber von der Arabisch sprechenden Minderheit der Mahalmi ab, die früher im Südosten der Türkei lebte und von dort in den Libanon auswanderte.

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