- Politik
- Musicalproduzent Wolfgang Bocksch will aufgeben
Statt Nummer eins das Aus
Musicalhaus Nummer eins« in Deutschland sollte es werden, das einst als Schauspielbühne berühmte Schiller Theater Berlin. Mit diesem Anspruch übernahm Wolfgang Bocksch, der erfahrene Mannheimer Konzertmanager und Musicalproduzent, vor gut einem Jahr das Haus in der Berliner Bismarckstraße. Er hatte es zuvor als Untermieter von Peter Schwenkow betrieben. Der wiederum hatte es als Mieter vom Senat bekommen und die Mitbewerber, darunter auch Bocksch, aus dem Feld geschlagen. Überwiegend originalsprachige USA-Musicals hatte Bocksch dort spielen lassen, vieles mit Erfolg. Als der Hauptmieter Schwenkow jedoch zunehmend in die öffentliche Kritik geriet, da er entgegen den Senatsauflagen im Schiller Theater keine »Berlin-Historicals« auf die Beine brachte und das Haus bloß weitervermietete, stieg er aus. Bocksch übernahm das Haus.
Berlin scheint für Musicals kein so fruchtbarer Boden zu sein. Bis jetzt sind hier langfristig alle privaten Musical-Theater-Betreiber gescheitert. War der Bedarf vom Theater des Westens und dem inzwischen geschlossenen Metropol-Theater, das neben der Operette vor allem das »klassische« Musical erfolgreich spielte, gedeckt worden? Es scheint so. Aber der Kampf ums Publikum wird erbittert geführt. Hinter den Kulissen scheint man nicht unbedingt mit Glacehandschuhen zu hantieren, sondern Boxhandschuhe zu bevorzugen.
Auch Bocksch ist offensichtlich der Erfolg an der Spree nicht treugeblieben. Just am Theater des Westens will er sich nun die Zähne ausgebissen haben. Dort wird für zweieinhalb Monate lang das 50er-Jahre-Kult-Musical »Grease« gespielt, das jetzt Premiere hatte (ND vom 20. Oktober). Um die Aufführungsrechte hatte es ein heftiges Tauziehen gegeben. Bocksch wollte es ab 15. Dezember auf Jahre im Repertoire haben, sieht sich nun, da das Theater des Westens ihm zuvorkam, in seinen Geschäftsinteressen geschädigt. Den Senat macht er dafür mitverantwortlich, und so hat er seinen Mietvertrag für das Schiller Theater zum 1. November gekündigt.
Seit Jahren läuft das Musical »Grease« in Düsseldorf mit Erfolg, Bocksch hatte sich wohl eine Verbesserung der Bilanz von diesem Stück erhofft. Es macht den Eindruck, als sei es in der letzten Zeit im Schiller Theater nicht mehr so recht gelaufen. Um Publikum in den Musentempel zu locken, konnte man selbst auf eine kalifornische Männer-Strip-Show nicht verzichten. Die Reaktionen Bockschs kommentierte Berlins Kulturstaatssekretär Lutz von Pufendorf »als durchsichtiges Ablenkungsmanöver«, er versuche, die »offensichtlich finanziellen Probleme seiner Firma auf fremde Schultern abzuwälzen.«
Als Konzertveranstalter will Bocksch von Mannheim aus aktiv bleiben, auch für Berlin.
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