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Kambiz Behbahani (51)

  • Lesedauer: 3 Min.

Seit 25 Jahren in Berlin lebender iranischer Journalist, ehemaliges Mitglied des Bundesvorstandes der Grünen

des Krieges und Nationalismus gebannt werden.

Andererseits ist nichts Neues an der Behauptung, daß große Teile der bundesrepublikanischen Bevölkerung nationalistisch denken und sogar nationalistisch handeln. Und diese Tendenz geht bis in die Gewerkschaften hinein. Die Bereitschaft der Gesellschaft, Ausländer abzulehnen, ist groß. Die Linken aber - das ist ihre Tradition - wollen dem herrschenden Zeitgeist wider-

stehen. Folglich handelt bis heute jeder, der sich als Linker fühlt, in bezug auf Ausländer »solidarisch« und steht für deren Gleichberechtigung. Nur diese Tradition hindert viele Linke daran, sich zum Mainstream zu bekennen, selbst wenn sie es wollen. Schließlich hieß eine Hauptparole der Linken angesichts der Gefahren eines neuen großdeutschen Reichs: »Ausländer, laßt uns nicht mit den Deutschen allein!« Die Einbürgerung von vier bis fünf Millionen Ausländern wäre zwar ein Kultureinbruch, aber zugleich ein Fortschritt.

( Bei Nationalisten und Konservativen bis hin zu Teilen der Sozialdemokraten ist hingegen Weltbürgertum verpönt. Eine eher monolithische Gesellschaft würde dadurch pluralistisch. Viele in den verschiedenen Parteien streben aber gerade zur Mitte der Gesellschaft, sie wollen eine Art moderne Mittelmäßigkeit, und um sich in der Mitte zu treffen, werden automatisch viele Grundwerte über Bord geworfen.

Für einen Teil der Linken wiederum besteht bereits die multikulturelle Gesellschaft, die derzeit gegen Rassistinnen verteidigt werden

muß. Mithin wird es zur humanistischen Großtat, sich freundlich gegenüber Immigrantinnen und Flüchtlingen zu verhalten. Zu dieser Haltung gehört auch der subtile Rassismus vermeintlich fortschrittlich denkender Menschen. Multikulturell - das beinhaltet jedoch weit mehr als nur die Beschreibung eines Ist-Zustands, des Nebeneinanders verschiedener Ethnien und Kulturen.

Im Gegensatz zu den Rechten und Faschisten kann der Schwerpunkt linker Politik nicht auf der materielllen »Angebotsseite« liegen. Mit der Parole »Ausländer raus!« wird den Deutschen eine materielle Verbesserung der individuellen Lebenssitaution vorgegaukelt. Die Linken aber »bieten« nichts, sie fordern »nur« Gleichberechtigung für die Ausländer.

Aber zugleich zeigen sie Mitleid gegenüber den Menschen aus der Dritten Welt, und dieses Mitleid ist für mich positiver Rassismus. Viele Linke wollen uns vertreten, ohne uns anerkennen zu wollen. Für sie gibt es auch keine rechten oder linken Ausländer, \was mit Sicherheit falsch ist.

Nur die Frauen haben sich mittels geschlechtsspezifischer Themen auf klare Positionen festgelegt. »Muslemische Männer sind Unterdrücker«, »Gute Ausländerinnen - schlechte Ausländer«. Die demokratische Frauenbewegung beteiligt die ausländischen Frauen an ihrer Bewegung und fördert damit die Integration. Bei den linken Männern sieht das völlig anders aus. Ausländer sind in politischen Gremien, auch in linken Parteien, unterropriisentiert. Intellektuell werden mc nl'i nicht anerkannt. Wird auf akademischem Niveau diskutiert, hört sogar die Freundschaft auf. Stets steht der Ausländer unter Anpassungs- und Anerkennungsdruck. Wir kommen nie an, wo wir hinkommen wollen. Sind wir darüber verärgert, werden wir als sentimental, südländisch, emotional abgestempelt. Es gibt bestimmte Vorurteile, die sowohl bei Linken als auch bei Rechten anzutreffen sind.

Statt dessen muß man sich eine Schar neuer Inländer vorstellen, die auch als Politiker einer neuen Generation über das Schicksal des Landes mitbestimmen. Das Ziel demokratischer Politik muß es sein, dje notwendigen Voraussetzungen für ein gleichwertiges, solidarisches Miteinander von ausländischen und deutschen Bürgerinnen und Bürgern zu schaffen.

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