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  • Politik
  • TV-Kritik: Polizeiruf 110: »Mörderkind« (ARD)

Verspielte Chance

  • Peter Hoff
  • Lesedauer: 3 Min.

Matti Geschonneck hatte sich schon einmal als Nothelfer bewährt, als eine Kriminalreihe nicht so recht aus dem Knick kam. 1991 gab er für den SFB-»Tatort« dem Hauptkommissar Markowitz jenes Profil, an dem es dem Berliner Ordnungshüter, gespielt von Günter Lamprecht, bis dahin gefehlt hatte. Nun also will er dem ORB-»Polizeiruf« mit seiner Kommissarin Wanda Rosenbaum auf die Beine helfen, denn die evaluierte und gemäß dem zeitgemäßen Ordnungssinn alte DDR-Reihe hat auch im Märkischen bisher nur schwer Wurzeln geschlagen, trotz des mehrjährigen Einsatzes von Katrin Saß als Hauptkommissarin Tanja Voigt.

Daß die Brandenburger sich wieder für eine Frau in der Fahnderrolle entschieden haben, verdient zunächst Re-

spekt, obgleich andererseits heute dazu nicht übermäßig viel Mut mehr gehört, nach den »Tatort«-Erfolgen von Lena Odenthal im Süddeutschen und- den Ermittlungsergebnissen von Bella Block und Rosa Roth in selbständigen Serien. Daß die Märker aber mit ihrer Neuen nur die alten Vorurteile bedienen, die Frau auf »Sensibilität« reduzieren und sie in des Mörders Seelentiefe gründein lassen und gar noch Mutterinstinkte bei ihr aktivieren, damit sie einen psychisch verkorksten Jungen, der zum Mörder geworden ist, auf den Weg der seelischen Rettung führen kann, das gibt eher Anlaß zur Kritik.

Ich halte die Figur des Kommissars gegenwärtig für überbewertet im deutschen Fernsehkrimi. In einem obrigkeitlich autoritären Staatswesen wie dem unseren, in dem jede und jeder nach der starken Persönlichkeit schielt, die alles richtet, was im argen liegt, ist auch im

Krimi die Gestalt des Ordnungshüters in einem Maße in den Vordergrund gerückt, die ihrer wirklichen dramaturgischen Bedeutung im Genre des Kriminalfilms kaum entspricht.

Der Kommissar/die Kommissarin kann und soll die Welt wieder einrenken, wenn sie aus den Fugen geraten ist - er/sie kann doch nur ein wenig daran mitwirken, die Wahrheit über einen Tatverlauf zu ermitteln. Die Hintergründe werden meist im Hintergrund bleiben. Auch eine so vorzügliche Schauspielerin wie Jutta Hoffmann kann an dieser Grundcharakteristik nichts ändern. Der Hoffmann wäre endlich mal wieder eine dankbare Rolle im Fernsehen zu wünschen gewesen; doch was hilft alles Wünschen, wenn die Produktionspläne nichts hergeben?!

Also versucht sie als Frau Kommissarin Rosenbaum den Mief eines kleinen märkischen Dorfes ein wenig zu durchlüften, findet mittels Gentest heraus, daß der Dorfpfarrer die Bürgermeistersgattin geschwängert und mit ihr einen jugendlichen Kotzbrocken mit niederträchtigen Instinkten gezeugt hat, daß der Tierarzt mit dem minderjährigen Mordopfer Unzucht trieb, sie überführt auch den 13jährigen Mörder, der seinerseits Opfer ist,

durch seinen Realitätsverlust, denn er spielte seine Tat zuvor am Computer durch, doch was in der virtuellen Welt der Computerbilder funktionierte - die Ermordete ließ sich wieder zum Leben erwecken - versagte in der rauhen Realität. Es wurde in diesem Film viel reflektiert, wortwörtlich über Gott und die Welt und über das Abgründige im Menschen. Doch kam man zu keinem Ergebnis nicht.

Geschonneck hatte in Olaf Skrzypezyk einen guten Kameramann und dazu noch ein großartiges Schauspielerensemble zur Verfügung, von Hansjürgen Hürrig als Bürgermeister über Manfred Möck als Pastor und Horst Krause als dickem Dorfgendarmen bis hin zu Elsa Grube-Deister, die den standhaften Zuschauer wenigstens kurz vor Schluß noch mit einer schönen, wahrhaft zu Herzen gehenden Szene als Großmutter des ermordeten Mädchens für sein Ausharren bei der ARD entschädigte.

Was hätte man mit diesen Schauspielern und mit diesem Regisseur und seinem Stab für schöne Fernsehfilme machen können! Doch die, leider, scheinen bei den deutschen Fernsehsendern niemandem mehr einzufallen!

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