Arbeitsunfall und Berufskrankheiten: Bei Unklarheiten Zahlungsbelege aufheben

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Die meisten Patienten haben sich längst daran gewöhnt, dass sie bei Arzt und Apotheker nicht mit leerem Portemonnaie erscheinen dürfen. So sind unter anderem beim Arztbesuch zehn Euro Praxisgebühr pro Quartal fällig, mindestens fünf Euro pro verschreibungspflichtigem Arzneimittel oder zehn Euro für jeden Tag im Krankenhaus. Bei rezeptfreien Medikamenten müssen die Patienten seit einiger Zeit alles bezahlen, die Kasse gibt nichts mehr dazu. »Eigenbeteiligung« heißt das im gesetzesdeutsch. Und dann ist meist noch von »staatlichen Leistungen« die Rede. Beides ist unkorrekt bzw. falsch. Staatliche Leistungen für das Gesundheitswesen gibt es so wenig, dass man sie als marginal unberücksichtigt lassen kann. Die gesamten Kosten im Gesundheitswesen tragen die Versicherten mit ihren allmonatlichen Krankenkassenbeiträgen, wobei der hälftige Arbeitgeberbeitrag seit Jahrzehnten als Teil des Lohnes betrachtet wird. Demnach ist die so genannte »Eigenbeteiligung« nichts anders als eine zusätzliche Zahlung des Kranken. Der Begriff Eigenbeteiligung soll suggerieren, dass da noch ein anderer ist (der Staat), der was dazu gibt. Dem ist leider nicht so. So weit zur Begriffsklärung.
Bei den zusätzlichen Zahlungen gibt es aber eine Ausnahme. Wer wegen eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit zum Arzt muss, ist von sämtlichen Zuzahlungen befreit. Die Berufsgenossenschaften als Träger der gesetzlichen Unfallversicherung klären das Finanzielle mit Arzt, Krankenhaus oder Reha-Einrichtung direkt. Das gilt für alle Maßnahmen, die für die Behandlung des Arbeitsunfalls oder der Berufskrankheit notwendig sind. Lassen sich die Beschwerden am Anfang beispielsweise nicht eindeutig einer Berufskrankheit zuordnen - und das ist meist der Fall -, wird der Betroffene auf Chip-Karte versorgt. Damit muss er zunächst die Praxisgebühr und die anderen Zuzahlungen leisten. Sobald geklärt ist, dass die Krankheit »berufsbedingt« ist, erhält der Versicherte die verauslagten Gebühren von der Berufsgenossenschaft zurück. Deshalb sollte man in »offenen Fällen« vorsorglich alle Quittungen aufheben, weil nur belegbare Kosten erstattet werden. Aber nicht nur deshalb lohnt sich das Sammeln: Übersteigen die Zuzahlungen zwei Prozent des Familien-Brutto-Einkommens - bei schwer chronisch Kranken ein Prozent -, wird man von der Krankenkasse von weiteren Zuzahlungen befreit. Quittungen sammeln sollte also jeder, denn wer weiß schon im Vornherein, ob und wie schwer er krank wird.

Weniger Zuschuss
vom Arbeitgeber
Seit dem 1. Juli 2005 bekommen bekanntlich die Mitglieder gesetzlicher Kassen weniger Gehalt oder Rente ausgezahlt. Arbeitgeber und Rentenversicherungsträger zahlen nun nicht mehr die Hälfte des Versicherungsbeitrages, sondern 0,45 Prozentpunkte weniger. Dagegen erhöht sich der Beitragsanteil von gesetzlich krankenversicherten Arbeitnehmern und Rentnern um 0,45 Prozentpunkte. Ursache ist die Einführung des »allgemeinen Sonderbeitrages« für die gesetzliche Krankenversicherung. Der war gedacht als Zuzahlung für Zahnersatz und Krankengeld. Weil aber Rentner auf Letzteres gar keinen Anspruch haben, gab es reichlich Protest. Weshalb denn das Ganze jetzt als »Sonderbeitrag« bezeichnet wird. Was aber die Betroffenen, Gewerkschaften und Sozialverbände nicht daran gehindert hat, Widersprüche einzulegen und Musterklagen anzustrengen.
Auch privat krankenversicherte Arbeitnehmer können von den neuen Regeln betroffen sein. Sie bekommen zwar weiterhin die glatte Hälfte ihres Monatsbeitrages für ihre private Krankenversicherung als Zuschuss vom Arbeitgeber. Der höchstmögliche Betrag wird aber vom durchschnittlichen allgemeinen Beitragssatz der gesetzlichen Kassen und von der Beitragsbemessungsgrenze bestimmt. Da der Beitragssatz zum 1. Juli um 0,9 Prozentpunkte von 14,3 auf 13,4 Prozent gesenkt wurde, sinkt auch der Höchstzuschuss für Privatversicherte von 252 Euro auf 236 Euro. Für denjenigen, dessen Monatsbeitrag unter dem Doppelten des neuen Maximalzuschusses, also unter 472 Euro liegt, bleibt alles beim Alten. Er bekommt weiterhin die Hälfte des Beitrages vom Arbeitgeber erstattet. Ist der Monatsbeitrag jedoch höher als die genannte Grenze, ist der Eigenanteil zum 1. Juli gestiegen.
Noch mal zur Praxisgebühr: Wenn ein Patient zur Urlaubsvertretung seines Arztes geht, muss er die Praxisgebühr nicht noch einmal bezahlen, wenn er sie im Quartal schon entrichtet hat. Darauf verweist noch einmal die Techniker-Kasse. Aber Sie sollten schon eine Quittung vorlegen, damit es keinen Ärger gibt.

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