Frankreich leidet gegenwärtig unter der schwersten Trockenheit seit 1976. Betroffen sind vor allem der ganze Südwesten, große Teile des Zentrums und die Atlantikküste zwischen Pyrenäen und Bretagne.
Für 67 der 91 Departements des Landes mussten einschneidende Sparmaßnahmen verfügt werden. So ist das Sprengen von Feldern und Gärten zeitweise oder ganz verboten, ebenso wie das Autowaschen und das Auffüllen der Swimmingpools. Erstmals seit vielen Jahren muss in einigen Gemeinden tagsüber stundenweise die Wasserversorgung abgeschaltet werden, weil die verfügbare Trinkwassermenge nicht ausreicht.
Auf der bretonischen Insel Bel-Île, wo in der Ferienzeit die Bevölkerung von 5000 auf 50 000 Menschen anwächst und der Wasserstand in den Tiefbrunnen in diesem Jahr stark gefallen ist, müssen erstmals in den Sommermonaten per Tankschiff insgesamt 100 000 Kubikmeter Wasser vom Kontinent herangeschafft werden. Weil seit mindetsens drei Jahren die Niederschlagsmenge weit hinter dem Mittel zurückblieb, ist der Wasserstand von Bächen und Flüssen stark gefallen, so dass es vielfach zum Fischsterben kam.
Die Partei der Grünen, verschiedene Umweltvereinigungen und der Verbraucherschutzbund UFC prangern die intensive Landwirtschaft an, maßgeblich für die Wasserknappheit verantwortlich zu sein. Die von ihnen vorgelegten Zahlen sprechen für sich. Pro Jahr werden in Frankreich 33 bis 35 Milliarden Kubikmeter Wasser aufbereitet und verbraucht. Das sind pro Kopf der Bevölkerung 3265 Kubikmeter, während der europäische Durchschnitt bei 3000 Kubikmetern liegt. Davon entfallen im Schnitt die Hälfte auf die Landwirtschaft und je ein Viertel auf die Industrie und die Haushalte.
Die Industrie hat sich seit Jahren auf den Wassermangel eingestellt, verbraucht heute weniger Wasser als früher und ist dank geschlossener Kreisläufe kaum von der gegenwärtigen Trockenheit betroffen. Auch in den privaten Haushalten wird verantwortungsvoller mit Wasser umgegangen, vor allem weil die Regierung regelmäßig entsprechende Werbekampagnen organisiert. In den Schulen werden zudem die Kinder für das Problem sensibilisiert; sie nehmen dann wiederum in ihren Familien entsprechend Einfluss.
Dagegen schnellt der Anteil der Landwirtschaft am Wasserverbrauch in den Sommermonaten nach wie vor auf 80 bis 85 Prozent hoch. Während 1970 nur 700 000 Hektar bewässert wurden, sind es heute mehr als 2,6 Millionen Hektar, was fast sechs Prozent der landwirtschaftlich genutzten Flächen entspricht. Den größten Bedarf hat der intensive Maisanbau, der weit über den nationalen Bedarf hinaus und somit vor allem für den Export produziert. Es wäre sinnvoller, meinen die Kritiker, statt dessen beispielsweise Sonnenblumen für die Ölgewinnung und als Futtermittel anzubauen, die kaum Wasser benötigen. »Die Karte der Regionen, die unter Wassermangel leiden, ist deckungsgleich mit der Karte der Regionen mit intensiv bewässerten Feldern«, argumentiert der Verbraucherschutzbund UFC.
Die Bauernverbände weisen das zurück. Und mit Rücksicht auf diese innenpolitisch wichtige Klientel nimmt Umweltministerin Nelly Olin die großen Landwirte gegen die Vorwürfe in Schutz und bescheinigt ihnen gar »verantwortungsvolles Handeln und einen sorgsamen Umgang mit den Wasserressourcen«. Ebenso wie Landwirtschaftsminister Dominique Bussereau räumt sie allerdings ein, dass es sinnvoll wäre, mehr Rückhaltebecken anzulegen, in denen das ganze Jahr über Regenwasser gesammelt wird, das man dann im Sommer für das Sprengen der Felder verwenden kann.
Immerhin misst man in Frankreich pro Jahr eine Niederschlagsmenge von 175 Milliarden Kubikmetern, von denen nur rund 20 Prozent genutzt werden, während es in Deutschland 22 Prozent, in Spanien 23 Prozent, in Italien 32 Prozent und in Belgien gar 46 Prozent sind.
Viel Verständnis zeigt das Umweltministerium auch für die 550 Golfplätze des Landes, die jeder pro Jahr so viel Wasser verbrauchen wie eine Kleinstadt mit 3000 Einwohnern. Das Ministerium hat verfügt, dass den Golfplätzen auch in den Krisenregionen nicht ganz der Hahn zugedreht wird, sondern dass sie 30 Prozent ihres üblichen Wasserbedarfs erhalten, um die wichtigsten Rasenflächen zu wässern. Umweltministerin Nelly Olin meint allerdings, dass es »auf lange Sicht nicht mehr zu vertreten ist, dass Golfplätze mit Trinkwasser gesprengt werden« und dass man sich auch hier »um Alternativen bemühen« müsse.
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