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Thaqi und Bukoshi im Kampf um die Macht

Kosovo Mit ihren Guerillatruppen sind die rivalisierenden Exilpolitiker in die Krisenprovinz zurückgekehrt Von Martin Schwarz. Wien

  • Lesedauer: 3 Min.

Die UCK muß Albanien verlassen, die rivalisierenden kosovo-albanischen Politiker sind nach Pristina zurückgekehrt. Der Kampf um die Macht in der südserbischen Provinz hat besonnen.

In Albamen herrscht derzeit so etwas wie Aufbruchstimmung. Die Kämpfer der »Befreiungsarmee Kosovos« (UCK) wurden von der albanischen Regierung aufgefordert, das Land binnen weniger Tage zu verlassen. Bislang nutzte die UCK den Norden Albaniens als Operationsbasis für ihre Angriffe gegen die in Kosovo operierenden Truppen der jugoslawischen Armee.

Besonders protegiert wurden die Kosovo-Guerillas vom früheren Präsidenten Albaniens, Sah Berisha. Die »Armee der Republik Kosova« (FARK), die Ibrahim Rugova und seinem Exil-Premier Bujar Bukoshi folgt, fand in den Liegenschaften Berishas rund um die nordalbanische Stadt Tropoje Unterschlupf und baute dort Trainingslager auf. Insgesamt, so vermuten politische Beobachter, unterhielt die FARK in Nordalbanien acht Lager, die nicht erst seit Beginn der Kämpfe in Kosovo vor mehr als einem Jahr existierten.

Die sozialistische Regierung Albaniens dagegen unterstützte die UCK unter deren Premier Hashim Thaqi. Bislang verfolgten beide Flügel der Kosovo-Albaner wegen des gemeinsamen Zieles einer Sezession Kosovos eine Politik der friedlichen Koexistenz, doch auch in Albanien kam es schon zu einer Art von begrenztem Stellvertreterkrieg: Als Sah Berisha im September letzten Jahres einen - schließlich gescheiterten r Putschversuch unternahm, kämpften Einheiten 'äer“FA'RK v 'aüf“ seiner Seite, die UCK-Kämpfer des Thaqi-Flügels dagegen unterstützten die Regierung in Tirana.

Durch die Aufforderung zur Heimkehr nach Kosovo möchte sich die albanische Regierung eines immer drängender werdenden Problems entledigen: Sie befürchtet, daß es nun nach der Niederlage des gemeinsamen Feindes Milosevic zu blutigen Rivalitäten zwischen den beiden Flügeln kommen könnte. Auch sämtliche Trainingslager der UCK müssen nun aufgelöst werden. Albanische Regierungsvertreter meinten, es gebe nun keine Not-

Rivalen: Thaqi (I.) und Bukoshi Fotos: Reuters

wendigkeit mehr, die Lager weiter zu betreiben. Diese Stellungnahme zeigt zugleich, daß die Unterstützung der Regierung für die UCK doch massiver gewesen sein muß, als sie bislang zugab: Premier Pandelj Majko erklärte bisher stets, daß man die UCK bloß nicht behindere und im Falle des Falles medizinische Hilfe gewähre.

Gleichzeitig mit der Aufforderung zum Abzug kam es zur Einigung zwischen KFOR und UCK über eine Entwaffnung der Guerillas. Binnen drei Monaten, so schreibt das Abkommen vor, sollten die UCK-Kämpfer entwaffnet sein.

Dennoch hat Kosovo seit dem Wochenende einige Probleme mehr. Seit alle jugoslawischen Truppen abgezogen sind, kehren die meisten der kosovo-albanischen Exilpolitiker in die Krisenprovinz zurück. Hashim Thaqi befindet sich wieder in Pristina und stellte schon seinen Machtanspruch. Aber auch sein Rivale Bujar Bukoshi ist wieder zurückgekehrt. Nach sieben Jahren im deutschen Exil traf er in Pristina ein und stellte gleich klar, wer der demokratisch legitimierte Premier des eigentlich zu Jugoslawien gehörenden

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“ Ibrahim Rugova sitzt ebenfalls wieder in seinem Haus in Pristina, doch ist er politisch und persönlich am Ende. Nach den Worten des bisherigen EU-Vermittlers für Kosovo, des Österreichers Wolfgang Petritsch, ist Rugova »ein ausgebrannter Mann und schwerer Alkoholiker«. Der »Präsident«, der einst die Mehrzahl seiner Landsleute hinter sich wußte, »hat sein Gesicht verloren«, sagen Kosovo-Albaner heute, »nur noch der Schal ist geblieben«. Der Machtkampf der nächsten Monate wird also zwischen dem finanziell potenten Bujar Bukoshi und dem Rivalen Hashim Thaqi ausgetragen werden.

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