Meine grundeigene Renitenz
»OstPUNK - Too much future« heißt eine Ausstellung, die am Sonntag in Berlin zu Ende geht
Duschek: Dass ich für mich das Punk-Sein gewählt habe, war die logische Konsequenz. Wir waren ja in der Umgebung, in der wir aufgewachsen sind, von vornherein dazu verdammt, Schmuddelkinder zu sein.
Und die Malerei?
Das ist ein Talent, das mir in die Wiege gelegt wurde, was ich selber ausgebildet und mir abverlangt habe. Schon als Kind hatte ich die Vorstellung, Künstler zu werden und nicht Maurer oder Dachdecker. Es geht darum, sich mit kreativem Tun seine Umwelt positiv anzueignen.
Was hat Kunst mit Punk zu tun?
Ich mache aus mir ein Bild und dann starte ich durch, indem ich noch weitere Bilder mache. Das ist dann selbst schon Kunst, sich immer wieder neu zu entwickeln und zu gestalten. Ich habe nicht einfach nur eine zerlumpte Hose angezogen, sondern wir haben an unserem Aussehen rumgebastelt, ob das nun mit verwegenen Schmucksituationen war, oder mit selbst gestalteten Klamotten - das waren ja alles kleine Kunstwerke.
Selbstinszenierung als Kunstereignis? Die Erfurter Innenstadt als Kulisse für Live-Performances?
Das war die blanke Lust an der Provokation. Sicherlich hat das damit zu tun, dass man als 16-, 17-Jähriger sowieso noch rumpubertiert. Aber man war auch von der ganzen Ideologie angeschossen, die um einen herum eingebastelt wurde und von der man merkte, dass sie auf dem absteigenden Ast ist. Der Widerspruch zwischen dem, was erzählt wird, und dem, was wirklich abgeht, bringt einen auf andere Wege.
Also gabs auch eine politische Komponente?
Anfänglich war es bei mir individueller Protest, der mehr und mehr politisch wurde. Das schaukelte sich hoch - schließlich wurden wir nicht mit Samtpfötchen angefasst.
Im Westen hieß der Punk-Slogan »No Future«, in der DDR hingegen gab es »too much«, zu viel Zukunft, meinen die Ausstellungsmacher. Wie hast Du das empfunden?
Das reine No-Future-Gefühl, das hatte ich nicht, und wir haben den Slogan auch nicht einfach kopiert. Es war doch so: Du gehst zehn Jahre zur Schule und dann bist du froh, dass du aus der Rekrutieranstalt raus bist. Dann ist alles durchgeplant, dann wirst du gemustert, wird dir auf den Schwanz geguckt, dann gehts gleich ab in irgendeine Lehre und dann ist alles durchgestylt und du hast immer mit den gleichen Leuten zu tun, mit den gleichen Kalibern. Und das nervt natürlich irgendwann völlig an.
Wir reden über die achtziger Jahre. Wie viele wart Ihr damals in Erfurt?
Vielleicht zehn oder zwölf, mehr nicht. 1981 war das Jahr, wo man sich richtig kennen gelernt hat. Da war dieses erste Konzert von Schleim-Keim, Madmans und Ernst F. All im Johannes-Lang-Haus ...
... bei der Offenen Arbeit, einer kirchlichen Einrichtung ...
... 1982 und 1983 folgten die nächsten.
Welche Möglichkeiten hattest Du als bildender Künstler?
Nicht viele in Erfurt. Meistens hat man sich in Berlin Bestätigung geholt oder ich habe mit Freunden in Dresden in privaten Räumen ausgestellt. In Erfurt haben wir zwei, drei Ausstellungen gemacht, aber die waren in Privaträumen, und dann die Sache in der Kürschnergasse ...
... wo ihr ein altes Haus besetzt hattet ...
... wo man einfach gemerkt hat, man muss selber was in die Wege leiten und nicht warten, bis irgendwelche Leute einen ansprechen. Es ist ja auch nicht so, dass die etablierte Kunstszene erpicht drauf war, so einen wie mich kennen zu lernen.
Bist Du als Künstler wahrgenommen worden?
In erster Linie haben wir uns innerhalb unserer Szene bewegt. Im Kulturbund saßen die Etablierten rum, die Verbandskünstler, und haben sich selbst gefeiert. Solche Erscheinungsbilder wie unsereins, die nicht nur Künstler, sondern selbst Kunstwerke waren, also nicht im feinen Blüschen, sondern völlig abgerissen auftraten, das hat die irritiert. Ich wurde mit merkwürdigen Augen betrachtet, mit angstvollen Blicken, dass hoffentlich an der Kunst nichts kaputt geht.
Es gab Sessions, Performances, Punk-Konzerte - und es gab keine strikten Grenzen nach Genres.
Viele Leute haben ihr Multitalent entdeckt, indem sie aus ihren eigenen Freiräumen geschöpft haben. Und der größte Freiraum, den man sich erarbeitet hat, ist der eigene, der innere, aus dem heraus man dann die Umwelt gestaltet.
Habt ihr die Freiräume auch eingefordert?
Mitte der 80er haben wir auf dem Anger, in Kneipen und anderswo Unterschriften für ein Kulturzentrum gesammelt. Da kam die Stasi natürlich dahinter und hat uns Hausbesuche abgestattet. Doch es gab keine eindeutigen Beweise, weil ich die Unterschriftenlisten vorher verschwinden ließ.
Was ist nach der Wende aus den inneren und äußeren Freiräumen geworden?
In Berlin haben Leute das Tacheles besetzt, da waren auch Erfurter Punks dabei. In Erfurt hatten wir den Mainzerhof. Doch im Grunde waren das immer dieselben Leute, die was angestiftet haben.
Stimmt der alte Spruch »Punks not dead«, also dass Punk immer noch lebendig ist?
Ja, in dem Sinne, dass nicht die Punks durch die Gesellschaft assimiliert wurden, sondern umgekehrt, dass Punk selbst assimiliert hat. Guck Dir an, was heutzutage als normal gilt: piercen, tätowieren. Die Körperkultur, sich seinen Körper und seine Klamotten zu gestalten, das hat seine Wurzeln im Punk.
Und Du, verstehst Du Dich immer noch als Punk?
Das ist mir über die ganzen Jahre in Fleisch und Blut übergegangen. Man hat so ein Gefühl, dass man immer auf dem Weg bleibt. Man ist resistenter geworden, was Anfeindungen betrifft. Aber man trägt so einen tiefen Widerstandsgeist in sich, eine grundeigene Renitenz. Und ich bin sehr gerechtigkeitsliebend.
»OstPUNK 1979-89 - Too much Future«. Finissage am 25.9. ab 18 Uhr: Bert Papenfuß liest aus »Rumbalotte«, Mario Mentrup liest Texte von flanzendörfer und Matthias »Baader« Holst. Anschließend Konzert. Salon Ost, Saarbrücker Straße 20/21, 10405 Berlin.
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