Wider die Normalisierung

VERBRECHERISCHES UNTERNEHMERTUM

  • Hans Rehfeldt
  • Lesedauer: 2 Min.

Es war ein ruinöses riesiges Firmengelände, das »Chaoten« - wie die Erfurter Justiz urteilte - besetzten, um sich selbstbestimmend so zu entfalten, wie sie es für richtig hielten. Die Besetzung des Geländes, auf dem zur Nazizeit von der Firma »Topf & Söhne« Krematorien und Gasöfen für die Konzentrationslager hergestellt wurden, durch eine Gruppe politisch engagierter Autonomer im April 2001 machte die Geschichte dieses Ortes wieder sichtbar. Die Besetzer brachten Tafeln an über die Vorgänge zwischen 1933 und 1945. Sie betrachteten ihre Arbeit als antifaschistischen, revolutionären Eingriff in die gegenwärtige Gesellschaft.

Das »Autonome Bildungswerk« organisierte darüber hinaus in der ehemaligen Todesfabrik Konzerte, die mit »Flaschenpfand« bezahlbar waren. Auch wurden hier kostenlose Wohnstätten zur Verfügung gestellt. Vor allem aber haben die Besetzer immer wieder zu Aktionen, Kundgebungen und Demons-trationen gegen die Thüringer Neonazis aufgerufen.

2008 verkaufte die Stadt Erfurt das Gelände und wurde damit zugleich die unbequemen Besetzer los, die so konsequent auf die Beteiligung deutscher Ingenieurskunst an den millionenfachen Morden der Nazis aufmerksam gemacht hatten. 1945 waren einige Mitarbeiter von »Topf & Söhne« zu mehrjähriger Haft in Straflagern verurteilt worden, die Leitung jedoch hatte sich rechtzeitig in die Westzonen verflüchtigt. In der DDR befand sich auf dem Gelände der VEB Erfurter Mälzerei- und Speicherbau. Er ging nach 1990 wegen fehlgeschlagenen Transaktionen eines Schwaben pleite. An die antifaschistischen Besetzer erinnert nun ein Bild-Text-Band, weil - wie der Herausgeber Pascal Späth und die Autorin Gesa Wolff betonen - es wichtig ist, »dem deutschen Normalisierungskurs hinsichtlich der NS-Geschichte zu widersprechen«.

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