Schavan und der Korpsgeist

  • Jürgen Amendt
  • Lesedauer: 2 Min.
Karikatur: Christiane Pfohlmann
Karikatur: Christiane Pfohlmann

In der »Causa Schavan« herrscht derzeit hektische Betriebsamkeit. Die Uni Düsseldorf muss prüfen, ob eine ihrer früheren Studentinnen beim Verfassen ihrer Doktorarbeit vor 32 Jahren unsauber gearbeitet, möglicherweise sogar von anderen abgeschrieben hat, ohne die Quellen korrekt zu belegen. In die Debatte hat sich vor wenigen Tagen auch der Doktorvater der heutigen Bundesbildungsministerin, Gerhard Wehle, eingeschaltet. Der 88-jährige Pädagogikprofessor bezeichnete dieser Tage Schavans Arbeit als eine »sehr beachtliche Leistung« und gab zu bedenken, dass eine Doktorarbeit aus dem Jahr 1980 nicht ausschließlich nach heutigen wissenschaftlichen Maßstäben bewertet werden dürfe. Aus der Argumentation von Schavans Doktorvater lässt sich mit bösem Willen herauslesen, dass das fehlerhafte Zitieren oder gar das Plagiieren vor 30 Jahren nicht die Ausnahme, sondern die Regel war.

Schon im Begriff »Doktorvater« steckt dabei jener patriarchale Charakter von Abhängigkeit und Unterwerfung, der dem akademischen Betrieb eigen ist und mit dem dieser den Anspruch verbindet, keine Rädchen im Getriebe, sondern Hebel hervorzubringen. Im Google-Zeitalter, jener Daten-Maschine, die alles gleich macht, wird die Kluft zwischen Anspruch und Wirklichkeit allerdings immer größer. Der »große Bluff«, der auf dieser Seite in der Rubrik »Bildungsrauschen« Thema ist, stemmt sich vehement gegen seine Enttarnung. Die, die ihn einsetzen, vertrauen auf den Korpsgeist derer, die sich wie sie zur Elite zählen. Der soziale Abstieg des Bildungsbürgertums in der Universität weicht diese Nibelungentreue jedoch auf: Der Korpsgeist schwindet, wenn promovierte Akademiker für Niedriglöhne im Uni-Betrieb arbeiten müssen. Warum sollen sich Niedriglöhner mit einer Ministerin solidarisieren?

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