Heilbehandlung für Gehälter

Arbeitskampf am Neurologischen Zentrum Magdeburg / Einigung in Leipziger Klinik in Sicht

  • Hendrik Lasch, Magdeburg
  • Lesedauer: 3 Min.
In ostdeutschen Kliniken wächst nach Einschätzung von ver.di die Bereitschaft zu Arbeitskämpfen. Jüngster Beleg ist ein Warnstreik am Neurologischen Zentrum in Magdeburg.

Das Neurologische Zentrum Magdeburg gilt als Modelleinrichtung. Die Sozialministerien im Bund und dem Land Sachsen-Anhalt unterstützten den Aufbau der Klinik, die sich seit 1999 um die Rehabilitation von Patienten mit teils schweren neurologischen Erkrankungen kümmert.

Ein Vorzeigemodell indes mag das Haus, eine von bundesweit 41 Einrichtungen der Median-Klinikgruppe, in medizinischer Hinsicht sein; für die Arbeitsbedingungen der 270 nichtärztlichen Mitarbeiter gilt das nicht. Zwar gab es 2007 eine mit der Gewerkschaft ver.di ausgehandelte tarifliche Einigung für das Haus. Doch die vereinbarten Gehälter liegen um bis zu 40 Prozent unter denen im Uniklinikum und dem städtischen Magdeburger Krankenhaus. Zudem gibt es auch innerhalb des Neurologischen Zentrums gravierende Unterschiede, weil nach zwei Gehaltstabellen entlohnt wird.

Unter derlei Bedingungen wollen die Magdeburger Median-Beschäftigten künftig nicht mehr arbeiten. Am Mittwoch traten 100 in einen Warnstreik - kurz bevor Geschäftsleitung und Gewerkschaft zum dritten Mal über einen neuen Tarifvertrag verhandelten. Ver.di verlangt die Angleichung der Gehälter in der Klinik, sagt Thomas Mühlenberg, Verhandlungsführer bei ver.di. Das Unternehmen, das zuvor nur kleinere Zuwächse in Aussicht gestellt hatte, bot in den Gesprächen ein sattes Plus von 16 Prozent für bislang niedriger Entlohnte und elf Prozent für die übrige Belegschaft, umgesetzt jeweils in drei Stufen bis 2014. Mühlenberg nennt zumindest die Offerte von 16 Prozent ein »vernünftiges Angebot«. Die Verhandlungskommission müsse es bis zur nächsten Runde am 9. November beraten.

Der Arbeitskampf bei Median in Magdeburg ist nach Einschätzung des Gewerkschafters symptomatisch für eine Entwicklung in der gesamten Region. Belegschaften seien inzwischen »eher bereit, etwas für Verbesserungen zu tun«, sagt er. Das macht ver.di zur Voraussetzung für Verhandlungen. In Magdeburg habe es bereits zwei »aktive Pausen« gegeben, bevor es zum Warnstreik kam, und die Beschäftigen seien »zu mehr bereit«, sagt Mühlenberg, der auch steigende Mitgliederzahlen registriert. Das ist offenbar eine Antwort der Beschäftigten auf steigenden Leistungsdruck in den zunehmend von Privaten betriebenen Kliniken, die zugleich mit einer immer knapperen Finanzierung der Einrichtungen kalkulieren müssen. Die Konzerne verweigerten oft eine Bezahlung nach den im Westen gültigen Tarifen, sagt der Gewerkschafter. Allerdings: Mit willfährigen Belegschaften können sie offenbar immer weniger rechnen.

Zu Konflikten kommt es freilich nicht nur in rein privaten Kliniken. Bereits seit anderthalb Jahren liegen Geschäftsführung und Gewerkschaft auch am Krankenhaus St. Georg in Leipzig über Kreuz, das derzeit 800-jähriges Jubiläum feiert. Zur Unternehmensgruppe gehört auch ein großes städtisches Krankenhaus. Insgesamt arbeiten an 17 Standorten in und um Leipzig 3300 Mitarbeiter. Der Tarifkonflikt betrifft die St. Georg Wirtschafts- und Logistikgesellschaft mbH, eine Tochter der Gruppe.

Ihr Management hatte vor Gericht um die Zuständigkeit für Tarifgespräche gestritten, dabei aber in zwei Instanzen verloren. Dennoch würden Gespräche weiter verweigert, klagte ver.di Mitte September und drohte mit Streik.

Jetzt sieht es freilich nach einer gütlichen Einigung aus: Am 1. November wird wieder verhandelt. Die Krankenhausgesellschaft hat zugesagt, per 1. Februar 2013 einen Tarifvertrag in Kraft zu setzen, der ihren Angaben zufolge ein Lohnplus von neun Prozent in zwei Stufen sowie mehr Urlaub enthält. Die Gewerkschaft hatte einen Vertrag bereits zu Oktober 2012 gefordert - zu schnell für die schriftliche Fixierung, sagt das Unternehmen. Ver.di hat das zuletzt akzeptiert. Ausgehandelt werden soll nun noch eine Einmalzahlung, um die Verzögerung zu überbrücken.

#ndbleibt – Aktiv werden und Aktionspaket bestellen
Egal ob Kneipen, Cafés, Festivals oder andere Versammlungsorte – wir wollen sichtbarer werden und alle erreichen, denen unabhängiger Journalismus mit Haltung wichtig ist. Wir haben ein Aktionspaket mit Stickern, Flyern, Plakaten und Buttons zusammengestellt, mit dem du losziehen kannst um selbst für deine Zeitung aktiv zu werden und sie zu unterstützen.
Zum Aktionspaket

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal