NSU-Aufarbeitung im Visier

Die antifaschistische Infostelle aida darf sich wieder gemeinnützig nennen und verspricht, unbequem zu bleiben

  • Rudolf Stumberger, München
  • Lesedauer: 3 Min.
Beflügelt von einem gewonnenen Rechtsstreit mit dem bayerischen Verfassungsschutz widmet sich das antifaschistische Dokumentationszentrum aida einem neuen Thema: In einem Netzwerk will es die unübersichtliche NSU-Aufklärung begleiten.

Der bayerische Verfassungsschutz braucht sich derzeit um Öffentlichkeit wenig zu bemühen. Zum einen steht er vor dem NSU-Untersuchungsausschuss im bayerischen Landtag im Rampenlicht, zum anderen musste er nun in einem Rechtsstreit einlenken. Jahrelang hatte die Behörde die »Antifaschistische Informations-, Dokumentations- und Archivstelle (aida) in München als »linksextremistisch« in ihrem jährlichen Verfassungsschutzbericht erwähnt. Diese Passagen muss das Amt nach einem Vergleich vor Gericht nun schwärzen und im Internet löschen. Die Anti-Neonazi-Organisation tilgt ihrerseits Links zu Internetseiten, die für das bayerische Innenministerium als linksextremistisch und teilweise gewaltbereit gelten.

Seit der Gründung 1990 kümmert sich aida um die Umtriebe von Rechtsextremisten und Neonazis in Bayern und dokumentiert deren Auftreten, Aktionen und Vernetzungen. Dafür erhielten die Nazigegner mehrere Auszeichnungen.

Ob das den Verfassungsschutz, der selbst einige blinde Flecken in Hinsicht auf diese Szene aufwies, wie jetzt vor dem Untersuchungsausschuss bekannt wurde, ärgerte, ist ungewiss. Klar ist, ab 2008 tauchten die Nazigegner selbst im Verfassungsschutzbericht auf, ihnen wurde »Linksextremismus« vorgeworfen. Aida sei »maßgeblich geprägt« durch Personen, die dem linksextremistischen Spektrum zuzuordnen seien, hieß es.

Die Einstufung des Landesamtes hatte Folgen für aida: Der Organisation wurde die Gemeinnützigkeit aberkannt, wodurch ihr zugedachte Spenden nicht mehr absetzungsfähig waren. Außerdem flog aida aus der Landeskoordinierungsstelle gegen Rechtsextremismus.

Dagegen ging aida in einem Gerichtsverfahren vor, das jetzt nach rund drei Jahren zu einem Vergleich vor dem Verwaltungsgerichtshof führte. Darin verpflichtet sich das bayerische Innenministerium, aida künftig nicht mehr im Verfassungsschutzbericht zu nennen, sofern diese »keine neuen Anhaltspunkte für linksextremistische Bestrebungen« liefere.

Davon, dass die Verfassungsschutzberichte rückwirkend zu schwärzen seien, steht freilich nichts in der Presseerklärung. Mit dem Ergebnis der Vereinbarung bleibe vom Versuch des bayerischen Innenministeriums, den Verein als »linksextremistisch« zu stigmatisieren, nichts mehr übrig, so die Wertung von aida. »Dass eine Initiative rückwirkend aus drei Verfassungsschutzberichten gestrichen wird, ist ein absolutes Novum«, so der Vereinsvorsitzende Marcus Buschmüller. Für aida-Anwältin Angelika Lex ist die außergerichtliche Vereinbarung »ein Eingeständnis, dass die Aufnahme von aida in die Verfassungsschutzberichte nicht rechtlichen Gründen geschuldet war, sondern lediglich politische Motive zugrunde lagen«. Insbesondere die im Vergleich enthaltene Feststellung, dass einer Gemeinnützigkeit des Vereins keine Gründe entgegenstünden, bedeute, dass keine Zweifel an der Verfassungstreue des Vereins bestehen.

aida will sich nun als Teil einer unabhängigen Beobachtungsstelle »NSU-watch: Aufklären und Einmischen« parallel zu den parlamentarischen Untersuchungsausschüssen verstärkt um eine Aufklärung der NSU-Morde kümmern. Die Beobachtungsstelle soll vorerst beim Antifaschistischen Pressearchiv und Bildungszentrum e.V. (apabiz) in Berlin angesiedelt werden: Mittelfristig soll die Arbeit der Beobachtungsstelle von einem Netzwerk unabhängiger antifaschistischer und menschenrechtspolitischer Initiativen getragen werden. Als Aufgabe der Beobachtungsstelle wird genannt: die »Begleitung, unabhängige Dokumentation und Bewertung der Arbeit der vier parlamentarischen Untersuchungsausschüsse« - im Bundestag, den Landtagen Thüringens, Sachsens und Bayerns; die Begleitung, unabhängige Dokumentation und Bewertung der Strafverfahren gegen das »Netzwerk der mutmaßlichen NSU-UnterstützerInnen und Mitglieder« sowie die »unabhängige und unterstützende Recherche rings um die unterschiedlichen Komplexe der NSU-Mordserie«.

An dem Projekt beteiligen sich verschiedene Initiativen wie das antifaschistische Magazin »Der rechte Rand« aus Hannover oder das Antirassistische Bildungsforum Rheinland. Ob derlei Kooperationen dem bayerischen Verfassungsschutz genehm sind, bleibt abzuwarten.

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