Postbank am Pranger

Anleger protestieren in Neumünster

  • Dieter Hanisch, Neumünster
  • Lesedauer: 3 Min.
Etliche Kunden der Postbank sehen sich durch die Bank geprellt. In Neumünster (Schleswig-Holstein) trugen sie ihren Protest in die Öffentlichkeit.

Menschenauflauf vor der Hauptpost in Neumünster: zwei Dutzend Demonstranten, Anwälte, Medienvertreter, von der Post angeheuerte Security-Aufpasser und die Polizei! Dazu ertönt vor dem Gebäude immer wieder der Sprechchor »Wir wollen unser Geld zurück!« Aus ganz Schleswig-Holstein und Hamburg waren sie am Dienstag nach Neumünster gekommen, um ihren Protest an die Öffentlichkeit zu tragen: Menschen, die sich von der Postbank geprellt fühlen.

In allen Fällen haben die Geldanleger ihr Erspartes verloren, weil es in riskanten und höchst spekulativen Versicherungs- und Schiffsbeteiligungsfonds landete, die nun zum Problemfall geworden sind. Dabei ging es den Postbankkunden zumeist gerade um eine sichere Anlageform. In das »Beuteschema« der Finanzberater fielen immer wieder ältere Menschen, denen die Vorzüge etwa von Schiffsfonds angepriesen wurden, ohne dass man etwa sagte, dass sie mit ihrem anteiligen Schiffsfinanzierungskapital bei negativer Entwicklung auch haftbar gemacht würden. Teilweise bekamen langjährige Postbanksparer als Anlageportfolio 200-seitige Kataloge mit vielen Hochglanzfotos von Schiffen in die Hand gedrückt, obwohl es in der Branche bereits zu kriseln begann und etliche Schiffe auf Reede lagen. »Viele solche angebotenen Finanzprodukte waren von Anfang an toxisch«, sagt Helge Petersen, Bank- und Kapitalrechtsanwalt aus Kiel.

Solch windige Anlagegeschäfte wurden auch in der Postbankfiliale Neumünster getätigt, wobei die Abwicklung offenbar durch externe Fremdberater erfolgte. Für jeden abgeschlossenen Vertrag kassierten die Berater dann eine lukrative Provision, die im Kundengespräch aber nicht offen gelegt wurde. Das geschah hauptsächlich im Zeitraum von 2004 bis 2008, als die erst seit 2009 vorgeschriebene strenge Form von Beratungsprotokollen noch nicht existierte.

Zu den Betroffenen zählt eine Rentnerin aus Travemünde, die nach eigenen Angaben über 300 000 Euro verlor. Auch eine 47-Jährige aus Neumünster ist verzweifelt, weil sie nach einer Beratung 2008 zu gutgläubig war und nun darum bangt, 60 000 Euro für eine Schiffsfinanzierung möglicherweise in den Wind schreiben zu müssen. Ihre Klage wird nun von der Kanzlei Petersen vorbereitet, nachdem vorprozessual keine Verständigung mit der in Hameln ansässigen Postbank Finanzberatung AG möglich war. Die meisten Verbraucherrückforderungen werden aber außergerichtlich gelöst. »Klagen begleiten diesen Verhandlungsweg nur als nötiges juristisches Druckmittel«, sagt Petersen. Sein Berufskollege Arne Heller aus Hamburg betreut ebenfalls etliche Fälle und hat bereits Anzeigen wegen Anlagebetrugs bei der Staatsanwaltschaft eingereicht. Er geht von einem systematischen Vorgehen seitens der Postbank Finanzberatung AG aus und kennt inzwischen Betroffene aus dem gesamten Bundesgebiet. Er spricht offen von einer an den Tag gelegten »kriminellen Energie«. Von 25 überprüften Anlagen ist nach seinen Angaben keine ordnungsgemäß gewesen. Die Summe der strittigen Kapitalverluste geht - soweit bisher bekannt gewordenen - mindestens in den zweistelligen Millionenbereich.

Die Postbank wehrt sich dagegen, pauschal an den Pranger gestellt zu werden. Jede Kundenbeschwerde werde selbstverständlich umfassend geprüft, versicherte ein um das Postbank-Image besorgter Bank-Sprecher.

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