Frei und stolz

Javier Marías / Der spanische Autor lehnte den Nationalen Literaturpreis ab

  • Irmtraud Gutschke
  • Lesedauer: 2 Min.

Das möge ihm erst einmal jemand nachmachen: 20 000 Euro Preisgeld in den Wind zu schlagen - für die Ehre, sich für Politik nicht vereinnahmen zu lassen. Ist es eine Ehre? Generell? Das müsste man Javier Marías selber fragen. Wahrscheinlich würde er wägend antworten, dass sich Umstände auch ändern und mit ihnen das Ich. - Was im weitesten Sinne ein Thema seiner Romane ist.

Ein leiser, feinsinniger Mensch, der die Zurückgezogenheit des Schreibens liebt. Deutliche politische Äußerungen hätte ihm mancher von fern vielleicht nicht zugetraut. Aber er hat sich vor Jahren schon gegen die spanische Teilnahme am Irak-Krieg gewandt und für den damaligen US-amerikanischen Außenminister Rumsfeld drastische Worte gefunden. Nicht erst seit heute hält er die Art, wie die EU ihre Haushaltslage stabilisieren will, für grundfalsch. »Wenn alles schrumpft, kann nichts wachsen.« Er ist erklärter Gegner der konservativen Regierung von Ministerpräsident Mariano Rajoy. Aber: »Ich hätte die Auszeichnung auch abgelehnt, wenn die Sozialisten an der Regierung wären.«

Frei und stolz: Als Bestsellerautor könne er es sich leisten, mag manch einer sagen. Aber ein weniger Berühmter wäre für den Nationalen Literaturpreis des spanischen Kulturministeriums wohl auch nicht in Betracht gekommen. Ausgezeichnet werden sollte sein jüngster Roman »Die sterblich Verliebten«, ein raffiniertes Spiel um Liebe, Schuld, Hingabe an den Augenblick und plötzlichen Tod. - Wie schon in seinem ersten Erfolgsroman »Mein Herz so weiß«. Javier Marías: Seine langen, gewundenen Sätze können süchtig machen. Ein verstörender Sog. Fremde Leidenschaften verweisen auf die Ambivalenz menschlicher Gefühle. Das Dunkle, Böse, Teuflische, das oft so heimlich, verschmitzt sich anschleicht - dieser Schriftsteller kennt es genau. Kann er ihm dadurch entgehen?

Mit Maria, der Ich-Erzählerin, gelingt es. Sie liebt, hofft, wird schmerzlich enttäuscht, aber sie lässt das Unglück bei sich selber enden. Diese Moral steht ihr höher als irgendeine Vorstellung von Gerechtigkeit. »Die junge Besonnene« wird sie im Buch genannt.

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