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»Die Rundfunkreformen beschädigen die Öffentlich-Rechtlichen«

RBB-Personalrat Christoph Reinhardt über Kürzungen, inhaltliche Einschränkungen und Probleme für freie Journalisten bei den ARD-Sendern

  • Interview: Ralf Hutter
  • Lesedauer: 4 Min.
Gegen die geplanten Kürzungen beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk haben wie hier in Berlin immer wieder auch Aktive des Kampagnennetzwerks Campact demonstriert.
Gegen die geplanten Kürzungen beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk haben wie hier in Berlin immer wieder auch Aktive des Kampagnennetzwerks Campact demonstriert.

Die Staatsverträge für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk (ÖRR) werden hin und wieder reformiert. In welcher Hinsicht sind die kürzlich in Kraft getretenen neuen Verträge besonders wichtig?

Der Reformstaatsvertrag soll die Antwort auf die Diskussion über den ÖRR sein, die in den letzten Jahren immer schärfer geführt wurde. Er wurde vor einem Jahr durch die Landesregierungen beschlossen, dieses Jahr mussten ihn die Länderparlamente ratifizieren. Damals gab es eine lange Diskussion über Reformen in einem sogenannten Zukunftsrat. Vor dem Hintergrund des Skandals um die ehemalige RBB-Intendantin Patricia Schlesinger war diese politische Reaktion auch intern besonders wichtig, nicht nur für die Allgemeinheit.

Und welche Reformen sind nun besonders brisant?

Die Kritik von uns Personalräten war schon vor einem Jahr, dass ein Teil der Reformen zu kurz greift und ein anderer den ÖRR beschädigen könnte. Die Diskussion ist seitdem eher noch schärfer geworden und die Finanzierungsprobleme noch größer. Der Einzelstaatsvertrag zur Finanzierung ist nicht zustandegekommen, der Rundfunkbeitrag ist dieses Jahr nicht erhöht worden. Das ist für die freien Mitarbeiter der Sender besonders schlimm, denn die leben von Honoraren, und seit der letzten Beitragserhöhung hat die Inflation zehn bis 15 Prozent betragen. Selbst, wenn Honorare mal erhöht werden, was beim RBB seit zwei Jahren nicht geschehen ist: Das Budget wird insgesamt nicht größer, also werden weniger Beiträge eingekauft. Ein anderer großer Kritikpunkt: Der ÖRR wird zusätzlich reglementiert, während die großen Onlineplattformen wie Youtube, die sich rasant entwickeln und Konkurrenten des ÖRR sind, überhaupt nicht reglementiert werden. So wurden die Vorgaben hinsichtlich der sogenannten Presseähnlichkeit verschärft – wir müssen mit Online-Texten jetzt noch zurückhaltender sein. Sie dürfen sich nur auf unsere Videos und Audios beziehen.

Interview


Christoph Reinhardt ist freier Mitarbeiter beim RBB, allerdings als Personalratsmitglied von der journalistischen Arbeit freigestellt. 1998 begann er seine Tätigkeit als Radiojournalist für den damaligen Sender Freies Berlin. Er ist zudem ein Sprecher der informellen Vernetzung der Personal- und Freienräte der ARD-Sender, des ZDF und des Deutschlandradios.

Die ARD-Personalräte haben in ihrer Stellungnahme von vor einem Jahr die geplante Streichung einzelner Spartenprogramme kritisiert.

Daran hat sich nichts geändert. ARD-weit gibt es rund 70 terrestrische Radioprogramme. Die Vorgabe des Reformstaatsvertrags ist, dass es in einem Jahr 17 weniger werden sollen. Das ist eine bedrückende Situation. Der RBB ist zum Beispiel an sieben Radioprogrammen beteiligt. Laut dem Reformstaatsvertrag sollen es aber nur sechs sein. Da fällt nun der Blick auf Cosmo, den Kooperationssender mit dem WDR und Radio Bremen. Wenn der RBB da rausgeht, muss er kein anderes Radioprogramm abschaffen. Das wäre publizistisch extrem bedauerlich, denn Cosmo ist nicht irgendein Spartenprogramm, sondern es gehört zum öffentlich-rechtlichen Kernauftrag, auch für Minderheiten Programm zu machen. Das ist eine Integrationsaufgabe, gerade durch die fremdsprachigen Programme, die wir aus Berlin zuliefern.

Der ÖRR bringt bei der Verschiebung von immer mehr Inhalten ins Internet Opfer. Der RBB hat Ende Januar bekanntgegeben, dass er seine Personalausgaben um mehr als ein Zehntel kürzt und der Großteil des gesparten Geldes in die »digitale Transformation« gesteckt werden soll. Was halten Sie von dieser Schwerpunktsetzung?

Ja, die Widersprüche fallen jedem auf, der sich das anschaut. Auch in der digitalen Welt braucht man Personal für gute Inhalte. Das trifft jetzt besonders die Freien. Wir bedauern sehr, dass wir beim RBB für langjährige Freie – anders als andere ARD-Sender – keinen sogenannten Beendigungsschutz haben, also Schutz vor einem Ende ihrer Beauftragung.

Die Freienvertretung des Deutschlandradios hat intern kritisiert, dass der Sender laut Staatsvertrag neue digitale Angebote entwickeln soll, aber nicht mehr Geld bekommt. Das führt doch zu einer Verflachung oder zumindest Reduzierung des Programms, oder?

Verflachung weiß ich nicht, aber klar: Jeder Euro kann nur einmal ausgegeben werden. Da haben die Kollegen korrekt argumentiert.

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