Opfern am Orontes

Ingolf Bossenz über Waffen-»Ruhe« und -»Stillstand« in Syrien

  • Lesedauer: 2 Min.

Wenn der Krieg, wie das berühmte Diktum des preußischen Generals Clausewitz betont, die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln ist, was ist dann eigentlich die Waffenruhe? In Syrien jedenfalls ist sie die Fortsetzung des Krieges mit den gleichen Mitteln. Die Meldungen über Luftangriffe, Bombenanschläge, Gefechte sind zwar ebenso wenig zu überprüfen wie die in die Nachrichtenkanäle eingespeisten Totenzahlen. Dass die Konfliktparteien einen Stillstand der mörderischen Maschinerie nicht zulassen, ist allerdings jenseits jeden Zweifels.

Vielleicht lag der Aberwitz des ambitionierten Syrienvermittlers Brahimi ja bereits darin, ausgerechnet zum Opferfest eine Unterbrechung des gegenseitigen Abschlachtens in dem Land am Orontes erreichen zu wollen. Wird doch dieses höchste islamische Fest dadurch geprägt, dass bei den zelebrierten Riten Ströme von Blut fließen. Auch wenn es sich »nur« um Tierblut handelt, dürfte das mentale Umfeld für einen Stopp von Gewalt dadurch kaum befördert werden. Zumal für einen Waffenstillstand ein Mindestrest an Vertrauen zum jeweiligen Gegner unabdingbar ist. Doch während Islamisten, die zuerst die Vereinbarung gebrochen haben sollen, behaupten, nur »zurückzuschießen«, erklären Regierungstruppen gleichfalls, lediglich auf Angriffe zu reagieren.

Das Opferfest geht vorbei. Das Opfern geht weiter. Der Schlaf der Vernunft, der Syrien und Teile der »internationalen Gemeinschaft« erfasst hat, wird von wenig Hoffnung auf ein baldiges Erwachen begleitet.

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