Siemens geht, China kommt

Das Wüstenstrom-Projekt Desertec wirbt für die eigene Sache

  • Marlene Göring
  • Lesedauer: 3 Min.
Auf der Desertec-Konferenz zu Wüstenstrom zeigten sich die Mitglieder der Initiative optimistisch - obwohl ihr Vorhaben immer noch scheitern könnte. Zuletzt hatte Siemens das Boot verlassen.

Als »Millionengrab« bezeichnete der verstorbene »Solarpapst« und SPD-Energieexperte Hermann Scheer die Wüstenstrom-Initiative Desertec. Auf der dritten Konferenz der Desertec Industrie Initiative (Dii) in Berlin war von möglichen Problemen wenig zu hören. Im Vordergrund standen die Pilotprojekte, die in Marokko anlaufen sollen.

Mit ihnen hofft die Dii bald schon erste Erfolge zu feiern. Marokko hat momentan die Führungsrolle bei der Umsetzung von Desertec inne. RWE hat dort ein 100-Megawatt-Photovoltaik- und Windenergie-Projekt sowie eine 150 Megawatt-Solarthermieanlage auf den Weg gebracht. Ein erster Schritt in Richtung der ehrgeizigen Ziele des Landes: »Wir streben zwei Millionen Megawatt für den Binnenkonsum bis 2020 an«, sagte Mustapha Bakkoury, CEO der marokkanischen Agentur für Solare Energiesysteme.

Das Desertec-Konzept sieht die gemeinsame Energieproduktion und -versorgung der EUMENA-Länder, bestehend aus Europa, dem Nahen Osten und Nordafrika, mit Erneuerbaren vor. Bis 2050 sollen alle EUMENA-Länder des Stromverbunds zu 90 Prozent mit erneuerbaren Energien, hauptsächlich durch Wind, Photovoltaik und Solarthermie, versorgt sein. Die Energie würde dann dort produziert, wo der Ertrag am höchsten sei: Sonnenenergie zum Beispiel in der Sahara und Windenergie vor den Küsten Norwegens. Im Verbund könnten eventuelle Produktionsschwankungen außerdem ausgeglichen werden.

Auch die Regierungen seien als Unterstützer gefragt, betonte der Geschäftsführer des Desertec-Industriekonsortiums, Paul van Son. Nicht »Gesetze oder Versprechungen, sondern geeignete Rahmenbedingungen« seien gefordert. Man benötige Anreizsysteme, um die noch entwicklungsfähige Technik auf dem Markt zu platzieren. Ein Zeichen von politischer Seite blieb auf der Konferenz aber aus: Die erhoffte Unterzeichnung einer Absichtserklärung durch die Regierungen Spaniens, Frankreichs, Deutschlands und Marokkos fiel nicht auf den Tag der Konferenzeröffnung. »Wir können nur zuschauen und warten«, sagte der Desertec-Chef.

Desertec muss ebenso hoffen, dass die Industrie langen Atem beweist. Erst vor kurzem hatte Siemens den Ausstieg aus Desertec bekannt gegeben. »Das lag an einer internen Neuorientierung, weg von Solartechnik,« beschwichtigte van Son. Auf der anderen Seite haben nun auch chinesische Unternehmen Interesse angemeldet. Ob diese in den Verbund aufgenommen werden, werden die Gesellschafter Ende des Jahres entscheiden.

Ob die geplanten Großanlagen überhaupt wirtschaftlich sind, ist umstritten. »Man wählt bewusst den teuersten Weg«, sagt Wolfgang Daniels, Präsident der Vereinigung zur Förderung der Nutzung Erneuerbarer Energien in Sachsen. Megaprojekte wie Offshore-Windparks oder Wüsten-Solarkraftwerke seien »ein Kompromiss beim Atomausstieg«, so Daniels. Desertec komme vor allem Konzernen wie den beteiligten RWE und E.on zu Gute. »Grundsätzlich begrüßen wir, dass die Blockadehaltung gegenüber erneuerbaren Energien auch in den großen Energiekonzernen nicht mehr mehrheitsfähig ist«, sagt BEE-Sprecher Daniel Kluge. Gefährlich werde es, wenn die Politik die Rahmenbedingungen so setze, dass vor allem diese profitierten. Für eine kostengünstige Vollversorgung seien aber beide Formen, die dezentrale und die Produktion in Großanlagen, notwendig.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal