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Anna und das Böse an der Weichsel

Izabela Szolc zeichnet in ihrem Krimi ein spannendes Bild der polnischen Hauptstadt

  • Carmen Bossenz
  • Lesedauer: 3 Min.

Koniec wienczy dzielo - Das Ende krönt das Werk. Ein polnisches Sprichwort, das gerade auch zu Krimis passt. »Ein stiller Mörder« von Izabela Szolc erfüllt diese Erwartung auch bestens. Am Schluss geht es noch einmal so richtig spannend zur Sache. Dabei ist nicht nur der Mörder, sondern auch der Roman ein eher stiller. An dessen Anfang kein spektakuläres Verbrechen, sondern der Besuch der allein erziehenden Kommissarin Anna Hwierut in der Schule ihres pubertierenden, bisweilen aufsässigen Sohnes steht. Neben ihrer hehren Aufgabe, den kriminellen Level der polnischen Hauptstadt zu senken, muss sich die 30-Jährige tagtäglich an der sie nicht weniger fordernden Erziehungsfront bewähren.

Warschau, brodelnde Metropole eines aufstrebenden Neukapitalismus, platzt nicht nur als wohl größte Baustelle Europas aus allen Nähten, sondern kann längst auch in puncto Kriminalität auf einen hohen europäischen Standard verweisen. Organisierte Kriminalität, Mafia, Geldwäsche und andere Errungenschaften des boomenden Bösen sind dort längst heimisch. Wobei es Anna Hwierut eher mit den Klassikern zu tun hat. Da wird die Leiche eines alten Mannes aus der Weichsel gefischt, der Wagen einer Frau geht in Flammen auf, ein vermisster Junge wird verzweifelt gesucht, ein inhaftierter Psychopath fordert ein Gespräch mit der Kommissarin. Es gibt die üblichen Verdächtigen, Hoffnungen auf schnellen Erfolg, jähe Wendungen. Bürokratie, starre Strukturen, zwischenmenschliche Unpässlichkeiten erleichtern die Polizeiarbeit dabei nicht gerade.

Das alles wird stringent und spannend in Szene gesetzt und erzählt. Aber, und hier gibt es durchaus Parallelen zu den beliebten skandinavischen Krimis, die Erzählerin bewegt sich zudem souverän im sozialen Terrain, das die Fälle umschließt. Gezeichnet wird ein sorgfältiges, realistisches Bild des Alltags im heutigen Polen, das bei aller Düsternis der Darstellung von tiefer Sympathie für die Menschen, ihre Wünsche und Träume geprägt ist.

Die Protagonistin Anna ist eine von ihnen. Und die Autorin, daran bleibt kein Zweifel, auch. Die authentischen Schilderungen gelingen Izabela Szolc wohl nicht zuletzt deshalb so treffend, weil sie als Journalistin den Stoff, über den sie nun fiktiv schreibt, real erlebte und ins Wort setzte. Auch die düstere Atmosphäre, die von dämonischen Vorgängen und verdunkelten Seelen angefüllt ist, liegt ihrer Schreibkunst sehr gut.

Was Wunder, hatte sich Szolc doch zunächst mit in ganz Polen gelesenen und geschätzten Fantasy-Romanen einen Namen als Schriftstellerin gemacht. Dass sie mit diesem Pfund auch in Krimis zu wuchern versteht, unterstreicht die Vielseitigkeit der Autorin.

Wem die blonde Kommissarin und ihre Erfinderin ans Herz gewachsen sind, der sollte zu den Nachfolgebänden der Trilogie greifen: »Der tote Punkt« und »Aus fremder Hand«, die hoffentlich bald auf Deutsch erscheinen.

Kleine Ironie am Rande: Während die Autorin ihre Kommissarin samt Sohn aus der polnischen Provinz in die Hauptstadt ziehen lässt, um dort eine bessere Existenz zu finden, hat Izabela Szolc gemeinsam mit ihrem Mann Warschau den Rücken gekehrt und lebt in einem Dorf in einem Holzhaus. Bestens geeignet, um auch das nächste Werk von einem spannenden Ende krönen zu lassen.

Izabela Szolc: Ein stiller Mörder. Kriminalroman. A. d. Poln. v. Barbara Samborska. Prospero. 209 S., br., 12,95 €

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