»Der Anschlag, den es nicht gab«

Polnische Medien spekulieren über Hintergründe des vereitelten Bombenattentats

  • Julian Bartosz, Wroclaw
  • Lesedauer: 2 Min.
Die vor einer Woche in die Welt gesetzte Erfolgsmeldung der polnischen Agentur für Innere Sicherheit, sie sei einem Anschlag auf das Parlamentsgebäude zuvorgekommen, provozierte die Frage, ob dies nicht eine Zweckmeldung war.

Obwohl mit dem 45-jährigen Chemiker Brunon K. der »Organisator einer bewaffneten Gruppe« und etliche »Beweisstücke« (Pistole, Munition, Filme mit Probesprengungen) gezeigt wurden, sind Zweifel an der Echtheit des Erfolgs der Behörden - der Verhütung eines Sprengstoffattentats auf das Parlament - laut geworden. Die linke Wochenschrift »NIE« listete unter dem Titel »Der Anschlag, den es nicht gab« zehn Punkte mit Widersprüchen im Bericht der Staatsanwaltschaft auf. Dazu gehört die Tatsache, dass kurz nach der Aufdeckung der mutmaßlichen »Verschwörung« eine Debatte über die Kürzung von Befugnissen der Agentur für Innere Sicherheit (ABW) im Parlamentsausschuss für die Sicherheitsdienste angesetzt war. Journalisten fragen, wieso nach der Verhaftung des Brunon K. zwei seiner kurzfristig festgehaltenen Mitarbeiter auf freien Fuß gesetzt wurden. Es erwies sich, dass es Agenten des Dienstes waren. Provokation also? Die Filme mit den »Probesprengungen« waren vor Jahren aufgenommen worden, als der Chemiedozent legal Experimente im Gelände durchgeführt hatte.

Dass die Kompetenzen der Geheimdienste zur Bespitzeln der Bürger zu weit gehen, ist eine verbreitete Meinung. Internet mitsamt privater Korrespondenz und persönlichen Daten, Telefonnetze und Bankkonten und selbst die »Verwanzung« von Wohnungen sind den Diensten auch ohne gerichtliche Genehmigung zugänglich. In dieser Beziehung, betonte die »Gazeta Wyborcza«, liege Polen an Europas Spitze. In »NIE« heißt es dazu: »Nun wird niemand mehr laut darüber zu reden wagen, dass die Befugnisse der Dienste beschnitten werden müssten. Ganz im Gegenteil, die wollen noch mehr dürfen.«

Nirgends wird indes bezweifelt, dass dem »Bomber« ein Attentat durchaus zuzutrauen war. Der Krakower Soziologe Jan Hartman wies in der Wochenschrift »Newsweek« auf den Hintergrund der seit dem »Smolensker Mord« (Jaroslaw Kaczynskis Interpretation des Flugzeugunglücks im April 2010) erwachsenen Hasskampagne gegen die »Republik« (des Runden Tisches) hin. Der von rechtsextremen nationalistischen Ablegern der Kaczynski-Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) repräsentierte Trend gipfelte zuletzt in der Forderung eines PiS-Mitglieds aus Olesnica, man solle in Polen eine Volksbefragung dazu organisieren, ob Premier Donald Tusk nicht zu füsilieren sei.

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