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Im Netz Zensur umgehen?

Ulrike Gruska ist Pressereferentin bei Reporter ohne Grenzen

  • Lesedauer: 3 Min.
Fragwürdig: Im Netz Zensur umgehen?

nd: Was unterscheidet wefightcensorship.org von anderen Nachrichtenseiten über Meinungsfreiheit und Zensur?
Gruska: Auf wefightcensorship.org veröffentlichen wir Inhalte, die in den Medien nicht vorkommen durften oder für die Journalisten verfolgt wurden. Während Sie auf der Webseite von Reporter ohne Grenzen zum Beispiel die Nachricht lesen, dass ein bestimmter Journalist verhaftet wurde, ins Gefängnis kommt oder dass seine Zeitung verboten wurde, finden Sie auf wefightcensorship.org den Originalartikel, der das ausgelöst hat. Oder auch Videos, Fotos und manchmal ganze Ausgaben verbotener Zeitungen. Wir betten das Material in den größeren Zusammenhang ein, weil Leser sonst oft wenig damit anfangen könnten. Wir beschreiben also auch, warum ein Beitrag nicht erscheinen durfte, eine Zeitung Probleme bekommen hat oder eine Regierung versucht, bestimmte Informationen zu unterdrücken.

Wie können Sie die Zensur damit umgehen? Auch diese Webseite könnte in dem betreffenden Land einfach gesperrt werden.
In vielen Ländern, in denen stark zensiert wird, sind die Seiten von Reporter ohne Grenzen blockiert, wefightcensorship.org wird vermutlich auch davon betroffen sein. Wir haben die Seite deshalb bewusst so konzipiert, dass sie sehr leicht kopiert und gespiegelt werden kann. Wir rufen Internetnutzer in aller Welt dazu auf, Kopien der Seite anzulegen und auf ihren Servern zu speichern. Je mehr dieser Kopien es gibt und je mehr unterschiedliche Orte, an denen die Seite zugänglich ist, desto schwieriger wird es sein, die Inhalte unter Verschluss zu halten.

Wie stellen Sie sicher, dass die Beiträge auch wahr sind?
Im Internationalen Sekretariat von ROG in Paris arbeiten Spezialisten für einzelne Regionen, die das Geschehen dort permanent beobachten. Das sind Experten, die sich in den entsprechenden Ländern sehr gut auskennen, oft auch die Sprachen sprechen und in Kontakt mit den ROG-Korrespondenten vor Ort stehen. Wenn Nutzer Inhalte für wefightcensorship.org einreichen, dann können sie einschätzen, ob das etwas Relevantes ist, ob die Nachricht den Tatsachen entspricht. Die Redaktion prüft jeden einzelnen Fall, so dass wir dann wirklich nur Sachen online stellen, von denen wir wissen: Diesen Fall hat es so gegeben, das ist eine vertrauenswürdige Quelle.

In ihrem Barometer für 2012 sind es erstaunlich viele Onlinejournalisten, die inhaftiert wurden oder durch ihre Arbeit umgekommen sind.
Das liegt zum einen daran, dass unabhängiger Journalismus in vielen Ländern nur noch im Netz möglich ist. Weil Fernsehen und Radio die meisten Menschen erreichen, verlieren kritisch berichtende Sender zuerst ihre Lizenzen. Viele von ihnen weichen dann auf das Internet aus. Und bei solchen Sendern ist natürlich die Gefahr, dass Reporter verfolgt werden, deutlich höher als bei einem staatstreuen Radiosender. Außerdem sind durch Bürgerjournalisten, Blogger und Online-Aktivisten zahlreiche neue Portale im Internet entstanden, die teilweise sehr kritische Informationen veröffentlichen – und die dadurch besonders im Visier der Behörden stehen.

Wie erfährt ein Redakteur in Äthiopien von Ihrer Webseite?
Das läuft zu einem großen Teil über Mundpropaganda und unsere Korrespondenten vor Ort. Wir können ja nicht einfach eine Rundmail schicken, weil es in vielen Ländern Journalisten in Gefahr bringt, wenn sie in direktem Kontakt zu ROG stehen. Deswegen haben wir auch ein sicheres Eingabeformular entwickelt, über das Journalisten uns Informationen übermitteln können, ohne dass man diese von außen einsehen kann.

Fragen: Marlene Göring

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