Verlust und Schaden

Bislang kaum Fortschritte beim UN-Klimagipfel / Einigung über Geld nicht ohne USA

  • Nick Reimer, Doha
  • Lesedauer: 3 Min.
Die erste Verhandlungswoche beim UN-Klimagipfel in Doha ist fast vorbei. Die Arbeiten am eigentlichen Thema, einem Klimavertrag für alle Staaten, haben noch nicht begonnen.

»Wir müssen an diesem Wochenende in allen Bereichen substanzielle Fortschritte erzielen«. Mit diesen Worten fasste Christina Figueres, Leiterin des UN-Klimasekretariates, am Freitag in Doha den Stand der Klimakonferenz zusammen. Im Klartext: Es gibt mehr Streitpunkte als Einigkeit unter den Klimadiplomaten.

Verhandelt wird in drei Strängen: Erstens wird um eine zweite Verpflichtungsrunde für das Kyoto-Protokoll gerungen. Die erste endet am 31. Dezember, nun sollen neue Reduktionsziele bis 2020 festgelegt werden. Die EU hat angeboten, bis dahin ihren Ausstoß 20 Prozent unter das Niveau von 1990 zu drücken, die Schweiz ebenfalls. Die Entwicklungsländer aber fordern strengere Zusagen. Ihr Argument: Die EU werde das 20-Prozent-Ziel spätestens 2015 erreichen. Zudem sind Industrieländer wie Kanada, Japan, Russland oder Neuseeland aus dem Protokoll ausgestiegen, die USA hatten das Protokoll nie ratifiziert.

Ein zweiter Verhandlungsstrang steht unter dem Motto: »Long-term Cooperative Action« (LCA). Hier geht es beispielsweise um Finanzen. Die Frage in Doha ist: Wie wird der »Grüne Klimafonds«, aus dem Maßnahmen für die Länder des Südens bezahlt werden sollen, um sich an die Folgen der Erderwärmung anzupassen, mit Geld gefüllt? Hier blockiert der Streit in den USA über den Haushalt für 2013 jeglichen Fortschritt. Ohne Beteiligung Washingtons werden auch andere Industriestaaten keine Mittel zusagen, sagte Artur Runge-Metzger, Leiter der EU-Delegation, gegenüber »nd«: »Es wird in Doha keine Finanzzusagen geben, weder für 2013 noch für die Jahre bis 2015.« Auch Japans Chefunterhändler Masahiko Horie meinte: »Aus Doha werden keine Finanzzusagen kommen.« Beide betonten, man sei zahlungswillig und habe die Gelder bereits im Budget eingeplant und sogar erhöht. Nur will sich keiner aufs Parkett wagen, ohne die USA an Bord geholt zu haben.

Unter LCA fällt auch der Bereich »Verlust und Schaden«, der aus der Versicherungswirtschaft stammt. Was passiert mit einem Staat, der wegen des steigenden Meeresspiegels umgesiedelt werden muss? Wer nimmt die Flüchtlinge auf, wer zahlt für ihren verlorenen Besitz? Vor allem die Allianz der Kleinen Inselstaaten (AOSIS) fordert: Die Industrieländer sollen zahlen sowie die Flüchtlinge aufnehmen und mit vollen Bürgerrechten ausstatten. Aber das lehnen die Industriestaaten strikt ab.

Die bisherigen Verhandlungsthemen sind eigentlich nur Beiwerk zum Hauptthema: einem Klimavertrag, der alle Staaten zu Reduktionen verpflichtet und bis 2015 ausgehandelt sein soll. Doch die Arbeiten daran können erst beginnen, wenn die beiden anderen Stränge abgeschlossen sind. »Für die Delegierten wird das ein kurzer, aber wundervoller Samstag«, sagte Klimachefin Figueres. Die oberste Klimadiplomatin der UNO ist überzeugt, dass am Abend ein Ergebnis vorliegt. Schließlich kommen am Montag die Minister zahlreicher Staaten und die wollen über Vorlagen entscheiden.

Die Umweltbewegung will heute Druck machen: Sie ruft zum »Climate Change March« durch Dohas Wolkenkratzer-Viertel Al Dafna auf. Bilder von Auseinandersetzungen mit der Polizei wie auf früheren Klimagipfeln im südafrikanischen Durban oder in Kopenhagen wird es hier nicht geben. Ebenso wenig wie Kritik am weltgrößten Klimasünder Katar: Die Regierung des Gastgeberlandes hat die Demo mitorganisiert, selbst das Tragen von Spruchbändern ist verboten.

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