Steinbrücks Mindest-Wein: der kleine Preis des Pinot Grigio und der große Lümmel
Warum die Kindergeld-verwöhnte Unterschicht den SPD-Kandidaten für "gemein" halten könnte
Der hat jetzt bei einer Diskussionsveranstaltung des Politmagazins „Cicero" erklärt, warum er eine Erhöhung des Kindergeldes um zehn Euro ablehnt. Die staatliche Leistung liegt zurzeit bei 184 Euro im Monat für die ersten beiden Kinder und 190 Euro für das dritte Kind. Sie ist seit drei Jahren nicht mehr angepasst worden, in der selben Zeit schlug die Inflation bei den Beziehern mit sieben Prozent zu Buche. Kindergelderhöhung? Nicht mit Steinbrück, denn der kann nicht nur rechnen, sondern hegt auch die nötigen Zweifel über das Volk, den großen Lümmel: „Schon zehn Euro Erhöhung würden den Staat eine Milliarde kosten. Und man weiß dann auch nicht, wo das Geld hingeht."
Genau. Saufend und rauchend verweigert sich das sozialdemokratische Wählerpotenzial allen pädagogischen Versuchen der SPD. Steinbrück kennt sich damit als ehemaliger Finanzminister aus: Zehn Euro, das sind nur „zwei Schachteln Zigaretten, zweieinhalb Bier oder zwei Pinot Grigio – also zwei Gläser Pinot Grigio, denn eine Flasche, die nur fünf Euro kostet, würde ich nicht kaufen." Muss der Honorarkönig natürlich nicht - im Gegensatz zur Kindergeld-verwöhnten Unterschicht, die gern zu den säurearmen aber alkoholhaltigen Grauburgundern des unteren Preissegments greift. Man kennt das aus den RTL-II-Vorabenddokus: verrauchte Bude, leere Flaschen, schreiende Kinder.
Natürlich soll niemandem eine Vorliebe für gute Weine bestritten werden. Auch frühere Linksparteivorsitzende gaben ihre Neigung zu einem Nero d'Avola Preis, der „nicht mal zehn Euro" kostet. Kein Sozialismus ohne Genuss. Aber für alle. Was nämlich den Unterschied macht, ist Steinbrücks kultureller Klassismus: Selbst noch ein Pinot Grigio nutzt der Kanzlerkandidat der SPD, um sich von jenen, die er ökonomisch und sozial unter sich wähnt, abzugrenzen.
Man weiß bei denen „dann auch nicht, wo das Geld hingeht", sagt der Sozialdemokrat - vom Finanzminister, der mit Milliarden jene Finanzinstitute „rettete", die zuvor das Gemeinwohl verspekuliert hatten, hat man solche Bedenken nicht mehr in Erinnerung. Die rauchende, Bier und den billigeren Grauburgunder trinkende Wählerschaft muss den Kanzlerkandidaten ganz zu Recht für „gemein, ruchlos" halten. Und das hat ganz und gar nichts mit einer profanen Neiddebatte zu tun.
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