Schöngefärbte Selbstauskunft

NGO beraten Regierung zum Menschenrechtsbericht

  • Marlene Göring
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Bundesregierung stellt sich mit einer Selbsteinschätzung dem UN-Menschenrechtsrat. Nun mischten sich NGO ein: Von wegen alles prima!

»Eine Anhörung zu einem Bericht, den keiner kennen kann«, nannte Beate Ziegler vom Forum Menschenrechte das Treffen von Vertretern der Bundesministerien und Nichtregierungsorganisationen (NGO) am Mittwoch in Berlin. Öffentlich diskutiert wurde der Entwurf der Bundesregierung für einen Bericht, der die Menschenrechtssituation in Deutschland beschreibt. Im Januar wird er an den UN-Menschenrechtsrat (UNHRC) übergeben, im April verantwortet sich die Bundesregierung vor dem Gremium. Die Autoren hatten das interne Papier vorher nicht öffentlich gemacht, nur wenigen Teilnehmern war es bekannt.

»Kurzfristig und spät« sei aber besser als überhaupt kein Treffen, meinte Ziegler. So hätten die NGO noch die Möglichkeit, Anregungen und Kritik einzubringen, bevor die Bundesregierung die Selbstauskunft in Genf abliefert. »Wir brauchen keinen schöngefärbten Bericht«, kritisierte Jochen Motte vom Koordinationskreis des Forums, der den Entwurf schon im Vorfeld erhalten hatte. Ein gutes Beispiel abzugeben sei extrem wichtig für die Glaubwürdigkeit Deutschlands - gerade weil man sich das Recht nehme, Menschenrechtsverletzungen in anderen Ländern anzuprangern. Dazu gehöre auch, selbstkritisch zu sein. »Defizite in der deutschen Menschenrechtspolitik werden im Bericht überhaupt nicht angesprochen«, erklärte Motte. So würden beispielsweise Maßnahmen genannt, aber nichts zu deren Wirksamkeit gesagt. Ebenso seien Teilbereiche komplett ausgeblendet wie Armut oder die Rechte von Menschen mit Behinderung. Beate Wagner, Generalsekretärin der Deutschen Gesellschaft für die Vereinten Nationen, pflichtete bei: »Es hat bei uns zehn rassistisch motivierte Morde gegeben, das weiß die Welt«, so Wagner. »Und wir äußern uns einfach nicht dazu.« Dabei hätte Deutschland das gar nicht nötig. »Die Regierung muss da nichts fürchten«, meinte Wagner. Schließlich sei die Überprüfung ein politisches Verfahren ohne mögliche Sanktionen. Man solle sich dem stellen, Selbstkritik sei schließlich ein Zeichen von Stärke.

Dennoch schwächelt Deutschland gerade in den nicht bedachten Feldern. Das geht aus den »Schattenberichten« hervor, die die NGO als Korrektur zur Selbstdarstellung der Bundesregierung verfassen. Als Zusammenschluss von über 51 Organisationen hat das Forum eine gemeinsame Publikation verfasst, die bereits dem UNHRC überreicht wurde. Die wird neben dem Bericht der Bundesregierung und eigenen Recherchen dem UNHRC dazu dienen, die Lage in der Bundesrepublik einzuschätzen. UN-Mitgliedsstaaten müssen dieses UPR-Verfahren (Universal Periodic Review, deutsch: Universelles Periodisches Überprüfungsverfahren) alle vier Jahre durchlaufen. Deutschland ist zum zweiten Mal dabei.

Während die Mitarbeiter der Ministerien teils sehr defensiv auftraten, nahm der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung Markus Löning die Kritik zum Bericht positiv auf. »Mir liegt sehr am Dialog«, betonte er. »Das Thema Armut werden wir berücksichtigen und auf jeden Fall mehr Selbstkritik üben«, räumte Löning ein. Beate Ziegler lobte die Initiative des Menschenrechtsbeauftragten, »alle Ministerien und Ressorts an einen Tisch zu zwingen«. Die haben nun noch etwas mehr als einen Monat Zeit, um den Bericht zu überarbeiten.

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