Der Betrug geht um die Welt
Zeitschrift »Gute Pillen - Schlechte Pillen« entlarvt unseriöse Hersteller und will an den Kiosk
Wer kennt sie nicht, die immer umfangreicher werdenden Regale mit Nahrungsergänzungsmitteln in Drogerien, Apotheken und Supermärkten? Sie versprechen schöne Haut, dickere Haare, ein starkes Immunsystem, Hilfe bei Entzündungen oder Arthritis.
Einer Studie zufolge hat der globale Markt für Vitamine, Mineralien und Nahrungsergänzungsmittel ein Volumen von rund 30 Milliarden Dollar erreicht. Die Tendenz ist steigend, obgleich die Wirksamkeit fast aller dieser Mittel stark in Zweifel gezogen werden müsse, so die GPSP-Experten. Seit sieben Jahren berichten sie beispielsweise in ihrer Patientenzeitschrift in der Rubrik »Gepanscht« über Ergänzungsmittel, die als natürlich oder pflanzlich bezeichnet werden, in Wirklichkeit aber stark wirksame chemische Bestandteile enthalten, die nicht deklariert werden, die Gesundheit aber erheblich schädigen können.
Für den Arzt und Apotheker Wolfgang Becker-Brüser, einen der Herausgeber der pharmakritischen Zeitschrift, ist dies geradezu kriminell, wenn beispielsweise in einem vorgeblich natürlichen Potenzmittel Viagra-Bestandteile enthalten sind, ohne dass der Verbraucher dies erfährt. Für Männer, die bestimmte Herzmittel wie Nitropräparate einnähmen, kann ein solches Präparat durch einen schwer zu behandelnden Blutdruckabfall lebensbedrohlich sein. Das Schlimme sei, so Becker-Brüser, dass Gepanschtes per Internet über Ländergrenzen hinweg vermarktet werde, und der Betrug so um die Welt gehe. Meist werde er nur zufällig entdeckt, denn Nahrungsergänzungsmittel seien Lebensmittel und würden nur sporadisch geprüft.
830 gepanschte Produkte und deren Risiken nennt die wahrscheinlich einzige öffentlich zugängliche Datenbank von »Gute Pillen - Schlechte Pillen« über auffällig gewordene Nahrungsergänzungsmittel. Warum der Markt dieser unsicheren und meist unwirksamen Mittel so explodiert? »Das Prinzip Hoffnung, die Macht des Geschriebenen, das Geld hab' ich auch noch und schaden kann's ja nix«, nennt Becker-Brüser den bunten Mix der angenommenen Gründe. Weil für den Verbraucher Werbung und Information oft nicht auseinander zu halten seien, entlarvt GPSP auf der letzten Seite der Zeitschrift auch immer eine als seriöse Information getarnte Anzeige - in der neuesten Ausgabe geht es um ein Mittel gegen Harnwegsinfektionen, das mit erotischen Assoziationen spielt und unbewiesene Behauptungen über die Wirksamkeit aufstellt.
»Gute Pillen - Schlechte Pillen« kostet für Einzelpersonen pro Ausgabe 4,50 Euro. Behörden und Praxen zahlen das Doppelte. Spenden sind erwünscht, denn das Projekt ist gemeinnützig. Es profitiert vom Expertenwissen und den Untersuchungen von vier unabhängigen Arzneimittelpublikationen: Arznei-telegramm, DER ARZNEIMITTELBRIEF, Arzneiverordnung in der Praxis, Pharma-Brief. Künftig wird die Zeitschrift sechs Mal im Jahr 28 Seiten enthalten, sie expandiert auch online und steuert den Kioskverkauf an. Für eine Publikation ohne Redaktionsräume und Werbeetat, die vom Gros der Apotheker abgelehnt und leider auch von vielen Ärzten beargwöhnt wird, ist das eine ambitionierte Zielstellung.
www.gutepillen-schlechtepillen.de
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