Verbittert über die Linksregierung

Frankreichs Premier hält am Pakt mit dem Stahlkonzern Mittal fest

  • Ralf Klingsieck, Paris
  • Lesedauer: 3 Min.
Als Frankreichs Premier Jean-Marc Ayrault dieser Tage besorgte Stahlarbeiter aus Florange empfing, um ihnen das Abkommen der Regierung mit dem Stahlkonzern Mittal zu erläutern, zeigten sich die Gewerkschafter anschließend vor der Presse enttäuscht und verbittert.

»Er hat uns angehört, aber nicht auf uns gehört«, erklärte Yves Fabbri von der CGT. »Er verteidigte den Kompromiss mit Mittal, den wir nicht akzeptieren können.« Edouard Martin von der CFDT fügte hinzu: »Ich habe ihm ins Gesicht gesagt, dass wir uns verraten fühlen.« Der Regierungschef und fünf seiner Minister hatten den Gewerkschaftern den Inhalt des Abkommens mit Mittal erläutert, in dem sich der Stahlkonzern verpflichtet, 180 Millionen Euro in den Standort Florange zu investieren. Doch davon entfallen nur 53 Millionen Euro auf Modernisierungen, während der Rest schon seit langem für die laufende Instandhaltung vorgesehen war. Besonders empört es die Arbeiter, dass die Regierung beim zentralen Konfliktpunkt, den seit Oktober 2011 nicht mehr produzierenden Hochöfen, einen Rückzieher gemacht hat. Somit kann Mittal an seinem Vorhaben festhalten, im kommenden März die Gasheizung abzuschalten.

Der Regierungschef betonte, wesentlich sei, dass es gelungen ist, »die Arbeitsplätze in Florange zu bewahren«. Die Möglichkeit einer zeitweiligen Nationalisierung von Mittal und der schrittweisen Übergabe an ein ausländisches Konsortium von Interessenten, womit sein Industrieminister Arbault Montebourg gedroht hatte, wischte Ayrault vom Tisch. Dabei ist inzwischen bekannt geworden, dass der französische Ex-Arcelor-Manager Bernard Serin, der vor Jahren in Belgien das Stahlunternehmen CMI übernommen und erfolgreich saniert hat, und Andreij Mordachov, Besitzer des russischen Konzerns Severstal, 400 Millionen Euro Investitionen angeboten hatten.

Doch der Premier erinnerte an »unglückliche Erfahrungen« der Linken mit Nationalisierungen in Frankreich. Ihm dürfte es nicht zuletzt darum gehen, die französischen Unternehmer nicht gegen die Linksregierung aufzubringen, nachdem er gerade erst mit dem »Pakt für Wettbewerb« eine versöhnliche Geste gemacht hat. Die Unternehmerverbandspräsidentin Laurence Parisot hat die Androhung einer Nationalisierung von Mittal als »skandalöse Erpressung« bezeichnet.

An Montebourg scheiden sich die Geister. Sein Engagement irritiert auch viele reformistische Kräfte innerhalb der Sozialistischen Partei. Nach Angaben seines Ministeriums habe er sich in den letzten sechs Monaten persönlich für 231 von der Schließung bedrohte Unternehmen eingesetzt und dabei den Abbau von insgesamt 21 189 Arbeitsplätzen abgewendet, während 6391 Arbeitsplätze nicht zu retten waren. Während hinter ihm nur der relativ schwache linke Flügel der PS steht und außerhalb der Regierung die Kommunisten, ist Montebourg für die Rechten ein rotes Tuch.

Nachdem ihn Premier Ayrault in Sachen Mittal desavouiert hat, wollte er schon demonstrativ zurücktreten. Präsident Hollande hielt ihn davon ab, aber wohl eher, um nicht den Bruch innerhalb der Regierung deutlich werden zu lassen. Tatsächlich hat sich der Präsident, von dem viele Wähler aufgrund seiner halbherzigen Wirtschafts- und Sozialpolitik tief enttäuscht sind, längst »vom Sozialisten über den Sozialdemokraten zum heutigen Sozialliberalen gewandelt«, wie jetzt ein Kommentator treffend schrieb.

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