Der Kunde allein ist nicht König
In die liberale Logik passt Niebels Weihnachtsaufruf durchaus: Der Entwicklungsminister von der FDP hat die Verbraucher aufgerufen, beim Kleidungskauf auf die Einhaltung ethischer Produktionsbedingungen zu achten. Gut ist, was zertifiziert ist, also Produkte, die Arbeits-, Sozial- und Umweltstandards ausweisen. »Mit bewusstem Kaufverhalten könnten die Verbraucher die Welt tatsächlich ein Stück weit verändern«, ließ der weihnachtlich gestimmte Entwicklungsminister gegenüber der »Welt am Sonntag« verlauten. Kurzum: Gibt der Konsument dem Markt die richtigen Nachfragesignale, wird das Angebot sich entsprechend entwickeln, schließlich ist bekanntlich der Kunde König.
Niebels Ausführungen sind nicht falsch, sie beschreiben aber nur einen Teil der Marktmechanismen. Die Produzenten reagieren zwar auf Nachfrageimpulse und Nachfrageänderungen mit einer veränderten Angebotspalette, ob sie die Produktionsbedingungen real verändern, steht allerdings auf einem anderen Blatt. Die jüngsten Skandale um so manchen Biohühnerhof haben das erneut gezeigt. Niebels Aufruf an die deutsche Textilwirtschaft, verstärkt auf die Einhaltung von Standards in ihrer Zulieferkette zu achten, mit wohl verstandenem Eigeninteresse zu begründen, ist naiv. Ein wohl verstandenes Eigeninteresse gibt es in der Privatwirtschaft nicht: Ein Unternehmen verhält sich schlicht so sozial, ökologisch, wie es ihm die Marktlage erlaubt und die Gesetze inklusive funktionierender Kontrolle es erzwingen. Und exakt da beginnt das Versagen der Politik: Im Süden, weil unmenschliche Arbeitsbedingungen in den Billiglohnfabriken hingenommen werden und im Norden, weil die tradierte Weltwirtschaftsordnung dem Süden nach wie vor den untersten Platz in der Wertschöpfungskette zuweist. Damit wird Unterentwicklung festgeschrieben und darüber schweigt Niebel.
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