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Billiglohnmodell hat ausgedient

In Asien hinkt das Gehaltsniveau meist den Produktivitätssteigerungen hinterher

  • Michael Lenz, Bangkok
  • Lesedauer: 3 Min.
Die weltweite Finanz- und Wirtschaftskrise macht sich deutlich in den Portemonnaies der Arbeiter bemerkbar. Die Löhne sind im vergangenen Jahr weltweit mit mageren 1,2 Prozent deutlich langsamer gestiegen als in den Vorjahren. Auch in Asien sieht es nicht allzu rosig aus.

Statistiken können Trends deutlich machen, aber auch Realitäten verzerren. So erklärte die UN-Arbeitsorganisation ILO bei der Vorstellung des »Reports über die globalen Löhne« unlängst jubelnd: »Löhne in Asien stellen andere Regionen in den Schatten.« Die Arbeitsentgelte hätten sich hier entgegen dem weltweiten Trend zwischen 2000 und 2011 verdoppelt. Dabei sieht es in Asien gar nicht so rosig aus, wie die ILO selbst einräumt. »Nimmt man China aus dieser Analyse, dann stagnierten die Löhne im Rest von Asien in den vergangenen Jahren und waren inflationsbereinigt niedriger als 2007, dem Jahr vor der globalen Wirtschaftskrise«, heißt es im Bericht.

Und selbst in der angeblichen Lohnlokomotive China gibt es eine äußerst ungleiche Verteilung: Über Lohnzuwächse von jährlich zehn Prozent konnten sich in der vergangenen Dekade nur die Arbeiter in den »urbanen Einheiten« freuen, schreibt die ILO. Mehr noch: Das Lohnniveau hinkt dem Produktivitätswachstum hinterher.

Jedoch gibt auch das Herausrechnen von China noch kein klares Bild für Asien. Im kommunistischen Vietnam betrugen die nominalen wie realen Lohnsteigerungen das Dreifache des Produktivitätswachstums. Im kapitalistischen Thailand sind die Löhne in diesem Jahr um durchschnittlich 40 Prozent gestiegen. In beiden Ländern spielen Mindestlöhne (in Thailand erst in diesem Jahr eingeführt) eine Rolle bei den Lohnzuwächsen. Mindestlöhne - die es seit Mai auch in Malaysia gibt - kommen aber nur einem relativ geringen Teil der Arbeiterschaft zugute. Die Mehrheit muss sich zu Niedrigstlöhnen im »informellen, nicht-landwirtschaftlichen Sektor« verdingen, was eine nette Umschreibung für moderne Sklavenarbeit ist. Auf den Philippinen, in Indonesien und Vietnam liegt der Anteil dieses Sektors bei 70 Prozent.

In einem früheren Report beklagte die ILO die Auswirkungen des verlangsamten weltweiten Wirtschaftswachstums auf die »Quantität wie Qualität« von Jobs in Asien. Gleichzeitig stieg in der Krise aber das Selbstbewusstsein der Arbeiter, wie die Zunahme »wilder Streiks« in China, der Generalstreik in Indonesien vor wenigen Wochen oder die Busfahrer in Singapur belegen, die dem Stadtstaat Ende November den ersten Streik seit einem Vierteljahrhundert bescherten.

Asiens Volkswirtschaften stehen vor einem Strukturwandel. Bislang haben sich China & Co auf Exporte und billige Arbeitskräfte als Basis des Wachstums verlassen. »Die globale Wirtschaftskrise hat die Grenzen dieses Ansatzes aufgezeigt«, sagt ILO-Experte Sukti Dasgupta, In Zukunft müssten die asiatischen Länder durch Stärkung des Inlandkonsums ihre Abhängigkeit von Exporten verringern.

Einmal mehr kommt dem Reich der Mitte dabei eine Schlüsselrolle zu. China müsse sein »Wachstumsmodell« von Grund auf reformieren, mahnt eine gemeinsame Studie der Weltbank und des Entwicklungsforschungszentrums des chinesischen Staatsrats. Investitionen in Innovationen, grüne Strukturen, den privaten Sektor und vor allem in den Bildungsbereich sollen neue, qualifizierte und damit gut bezahlte Jobs schaffen.

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