Platzhirsch Gott

Ingolf Bossenz über weihnachtliche Ansprachen, u.a. des Papstes

  • Lesedauer: 2 Min.

Wir«, erklärte Benedikt XVI. am Heiligen Abend, »sind mit uns selbst vollgestellt, so dass kein Raum für Gott bleibt. Und deshalb gibt es auch keinen Raum für die anderen, für die Kinder, für die Armen und Fremden.« Eine ebenso harsche wie überraschende Selbstkritik, die der deutsche Papst da ausgerechnet zu Weihnachten den Gläubigen verkündete. Oder nicht? Leider war Joseph Ratzingers vermeintlicher Pluralis Majestatis nur die auch in Politik und Wirtschaft gern und oft gebrauchte WIR-Vereinnahmung, die alle anderen einschließt, nur die Vereinnehmenden nicht. Gottvergessenheit, so wieder einmal die bizarre Botschaft des Pontifex, ist die Ursache aller Übel. Ratzinger, der in der veröffentlichten Meinung als einer der bedeutendsten Intellektuellen Deutschlands gilt, zeigt sich damit als ausgesprochen schlichter Denker. Aber zugleich als wohl kalkulierender Denunziant. Denn denunziert werden von ihm all jene, die sich Tag für Tag mühen, diese Welt zu einer besseren zu machen, zu einer besseren auch »für die Kinder, für die Armen und Fremden«. Die den Nächsten dienen und helfen, wie Buddha und Jesus es forderten. Und die dies tun, ohne an Gott oder Allah, Papst oder Patriarch einen Gedanken, ein Gebet oder eine Gebärde zu verschwenden. Sollte Benedikt XVI. mittlerweile von Gott, seinem Gott, so »vollgestellt« sein, dass in ihm kein Raum mehr für die Menschen bleibt?

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