China trifft Aldi

Firmen aus dem Reich der Mitte investieren in Deutschland

  • Hermannus Pfeiffer
  • Lesedauer: 3 Min.
Für chinesische Unternehmen ist Deutschland einer der attraktivsten Investitionsstandorte weltweit.

Einer von Chinas größten Coups 2012 gelang in Baden-Württemberg: Der Maschinenbaukonzern Sany übernahm den Betonpumpenproduzenten Putzmeister. Auch andere chinesische Firmen investierten im Vorjahr kräftig: So kaufte sich LDK Solar beim Solarzellenhersteller Sunways in Konstanz ein, und der Elektronikbauer Lenovo übernahm den Techniklieferanten Medion, der den Discountriesen Aldi mit Notebooks, CD-Playern und Spielkonsolen versorgt.

Marktbeobachter zeigen sich nicht überrascht. »Immer mehr Unternehmen aus dem Reich der Mitte wollen weltweit präsent sein, indem sie Firmen übernehmen und Auslandsstandorte aufbauen«, beobachtet die Unternehmensberatung Ernst & Young. Bislang begnügten sich Chinas Firmen meist mit einer Vertriebszentrale in Deutschland. Hamburg gilt als die europäische Hauptstadt für Chinas Kapital: Über 400 Unternehmen aus dem roten Reich haben ihren Sitz in der Hansestadt. Doch will die Volksrepublik nicht länger nur Waren exportieren. Stattdessen planen Manager immer häufiger eine globale Präsenz als Hersteller vor Ort.

Weit oben auf der Liste stehen Europa und Deutschland. Westeuropa gilt für die Zukunft als attraktivste Region für Auslandsinvestitionen - jedes vierte chinesische Unternehmen will hier Kapital anlegen. In Nordamerika hingegen lässt die Investitionslust nach: Hier wollen nur noch neun Prozent der Befragten investieren. Bei den chinesischen Managern, die Investitionen in Westeuropa planen, liegt Deutschland mit 14 Prozentpunkten an der Spitze - Großbritannien, Frankreich und Spanien folgen weit abgeschlagen mit je zwei Prozentpunkten.

Die meisten der im Sommer 2012 von Ernst & Young befragten Unternehmen, die zwischen Rostock und Füssen investieren wollen, wollen Zusatzmärkte erschließen. So produzieren chinesische Stahlhersteller mehr Werkstoffe, als die heimische Wirtschaft verarbeiten kann. Deshalb suchen sie neue Absatzmöglichkeiten. »Das geht am besten, indem man Firmen im Ausland kauft oder Joint Ventures gründet und damit auf bereits bestehende Vertriebskanäle zurückgreifen kann«, sagt Yi Sun, Leiterin der China-Sparte bei Ernst & Young in Stuttgart.

Als besonders interessant gelten Maschinenbau und Automobil. »Viele chinesische Zulieferer wollen deutsche Autobauer als Kunden gewinnen«, stellt Sun fest. Dafür böte sich der Kauf deutscher Zulieferer, die mit Daimler, BMW oder VW Geschäfte machen, an. Sun glaubt nicht, dass Firmen deutsche Standorte schließen und nach China verlagern könnten. Zugleich erhofft man sich von den Zukäufen Wachstumsimpulse für daheim: »Made in Germany« sei in China hoch angesehen.

Branchenkenner Detlef Specovius von der Kanzlei Schultze & Braun erwartet, dass Investoren aus China bald in großem Stil nach finanziell angeschlagenen Autozulieferern aus Deutschland greifen könnten. Die Absatzkrise hierzulande spiele den Chinesen in die Hände, sagte er der dpa. Dass chinesische Firmen Investitionspotenzial haben, bekräftigte auch der Vorsitzende der China Outbound Development Association, Zhang Guobao, kürzlich gegenüber einem chinesischen Radiosender.

Durch die Eurokrise und den dadurch sinkenden Eurokurs werden Firmen in Deutschland für asiatische Investoren billiger. Zudem gelten deutsche Konzerne an den Börsen oft als unterbewertet.

Keine Angst vor Schnäppchenjägern hat die Bundesregierung. Auch die Wirtschaft lobt Investitionen aus China. »Es gibt noch Spielraum nach oben«, sagt Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP). Peter Löscher, Siemens-Chef und Vorsitzender des »Asien-Pazifik-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft« sieht »viel, viel Potenzial«. Firmen aus Deutschland hätten in China über 20 Milliarden Euro investiert - China hierzulande aber weniger als eine Milliarde.

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