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Hintertür für Endlagerung

Bundesregierung ermöglicht Export von Atommüll

  • Reimar Paul
  • Lesedauer: 3 Min.
Ein Gesetzentwurf zur möglichen Endlagerung von Atommüll im Ausland sorgt für Aufregung. Während das Bundesumweltministerium behauptet, Deutschland müsse die Novelle aufgrund einer EU-Vorgabe umsetzen, befürchten Kritiker den Export radioaktiver Abfälle.
Hintertür für Endlagerung

Die Bundesregierung will mit einer Novellierung des Atomgesetzes die Endlagerung hoch radioaktiver Abfälle im Ausland zumindest ermöglichen. Die Novelle stammt aus der Feder des umstrittenen Abteilungsleiters Reaktorsicherheit im Bundesumweltministerium und ehemaligen Atomlobbyisten Gerald Hennenhöfer.

Der 39-seitige Entwurf schafft erstmals Grundlagen für den Export hoch radioaktiven Atommülls aus Deutschland. Von Interesse ist der Vorschlag für einen neu aufzunehmenden Paragrafen 3a, der die »Verbringung radioaktiver Abfälle oder abgebrannter Brennelemente zum Zweck der Endlagerung« regelt. Eine solche »Verbringung« - sprich: Export - in einen anderen Staat der Europäischen Union wäre demnach zulässig, wenn dort schon ein Endlager in Betrieb ist. In ein »Drittland«, also einen Staat außerhalb der Union, dürfte Atommüll nur geliefert werden, wenn es zuvor sowohl mit der Bundesrepublik als auch mit der Europäischen Atomgemeinschaft Nutzungsverträge abgeschlossen hat. Auch muss das Drittland dem Entwurf zufolge sowohl über ein eigenes Endlager wie auch über ein Programm für die Entsorgung und Endlagerung radioaktiver Abfälle verfügen, »dessen Ziele ein hohes Sicherheitsniveau bedeuten.«

Der EU-Ministerrat hatte im Juli 2011 verbindliche Vorgaben für die Entsorgung radioaktiver Abfälle und insbesondere den Bau von Endlagern für die abgebrannten Brennelemente aus Atomkraftwerken beschlossen. Die Richtlinie trat im September 2011 in Kraft. Im Kern gibt sie den Mitgliedsstaaten auf, nationale Programme mit konkreten Zeitplänen für die Benennung von Standorten und die Errichtung von Lagerstätten aufzulegen. Die Programme sollen Umsetzungsmaßnahmen beschreiben und die Finanzierung festlegen. Die Länder müssen der EU-Kommission ihre Programme bis spätestens 2015 übermitteln. Die Kommission will diese dann prüfen.

Das Umweltministerium erklärte gestern, Deutschland sei durch die EU-Richtlinie »verpflichtet«, den umstrittenen Passus neu in das Atomgesetz aufzunehmen. Die Richtlinie beziehe sich aber vor allem auf Länder, in denen die geografischen Voraussetzungen für eine inländische Endlagerung fehlten. Das sei »in Deutschland so nicht der Fall«. »Wir werden den hoch radioaktiven Müll, der in Deutschland angefallen ist, auch in Deutschland entsorgen«, erklärte Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU). »Wir führen ja Konsensgespräche, um bundesweit eine Endlagersuche für abgebrannte Kernbrennstäbe zu ermöglichen.«

»Die Bundesregierung rüttelt, ohne dies öffentlich zu thematisieren, an dem bei allen Auseinandersetzungen um die Atomenergie in Deutschland immer wieder bestätigten Konsens, wonach der hoch radioaktive Atommüll, der in deutschen Atomkraftwerken entsteht, auch in Deutschland zu entsorgen sei«, sagte der Geschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe, Michael Spielmann. Warum die Bundesregierung darauf verzichtet, einen »klaren gesetzlichen Vorrang der Inlandsendlagerung im Gesetz festzuschreiben«, sei für ihn kaum erklärbar.

Auch die Grünen üben scharfe Kritik. Die Europaabgeordnete Rebecca Harms bezeichnete es als »ungeheuerlich, dass die Bundesregierung unter dem Deckmäntelchen des Zwangs aus Brüssel die Erlaubnis des Exports von Atommüll in Drittstaaten gesetzlich festschreiben will«. Es handele sich keineswegs um eine »1:1 Umsetzung« der EU-Richtlinie. Denn diese sehe ganz klar den Vorrang des Inlandsendlagerung von Atommüll vor.

Die LINKE im niedersächsischen Landtag vermutet, trotz gegenteiliger Behauptungen sei wohl die geologische und rechtliche Untauglichkeit des Salzstocks Gorleben auch in Berlin angekommen. Langsam scheine die Regierung zu begreifen, dass unter Umständen niemand in Deutschland ein Endlager für hoch radioaktiven Müll vor seiner Tür akzeptieren werde. »Für diesen Fall sucht die Regierung eine Hintertür. Und die will sie sich öffnen, indem sie EU-Vorgaben für ihre Zwecke modifiziert«, sagte der Umweltexperte der Fraktion, Kurt Herzog.

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