Reinheitsgebet
Ingolf Bossenz über Korruption in der Slowakei
Das beste Gebet ist Geduld, wusste Buddha. Allerdings sind die Slowaken in der Mehrzahl Katholiken und mit ihrer Geduld ohnehin am Ende. Deshalb wird jetzt richtig gebetet. Und zwar dafür, dass sich die Politiker endlich korrekt verhalten. Hatte doch im vergangenen Jahr ein Geheimdienstbericht das EU-Land erschüttert, dem zufolge fast die gesamte politische Elite in dubiose Geschäfte und Korruption verwickelt ist. Seit dem Start eines Internetaufrufs für die Aktion der slowakischen Vereinigung junger christlicher Gemeinden am Dienstag hätten sich bereits mehr als 400 Teilnehmer gemeldet, hieß es. Wer mitmacht, verpflichtet sich, mindestens fünf Minuten täglich für einen Politiker seiner Wahl zu beten, und das wenigstens sechs Monate lang.
Ein interessantes Experiment, das in der Kultur Europas einen radikalen Paradigmenwechsel bewirken könnte. Denn obwohl Politiker schon lange nicht mehr angebetet werden und ihnen auch kaum noch jemand etwas nachbetet, beten sie den Wählern trotzdem unablässig etwas vor. In der Regel ungebeten. Ihr erstes Gebot: Gebet! Uns! Stimmen, Steuern, Stimulanzien! Damit sollte nun Schluss sein. Änderungen, vom Wahlvolk bisher hilflos erbeten, werden künftig hartnäckig erbetet. Aus der Zwickmühle in die Gebetsmühle. Und damit das auch klappt, am Ende des Gebets die Drohung: Um Antwort wird gebetet.
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