Urlaub im Eisschrank

Die Ausstellung »Arktisches Design« im Finland Institute

  • Tom Mustroph
  • Lesedauer: 3 Min.

Das Credo ist aller Ehren wert: »Streben nach einem besseren Leben und Achtung vor der verwundbaren nordischen Natur« zeichne finnisches Design aus, meint die Kuratorin der Ausstellung »Arktisches Design« im Berliner Finland Institute, Päivi Tahkokallio.

Zumindest in einem Beitrag der Ausstellung in dem Gebäude gleich neben dem Betondecken-lädierten Bahnhof Friedrichstraße fällt dies auch sofort ins Auge. Das Arctic Snow Hotel aus Rovaniemi, das nur in der Wintersaison existiert, ist aus lichtdurchlässigen Eisblöcken geformt. Das hat Klasse. Der sanft gerundete Baukörper fügt sich auch harmonisch in die Landschaft ein. Anheimelndes gelbes Licht dringt des Nachts von innen heraus, bläulich gefärbte Lichtstrahlen tagsüber von draußen herein. Der Baustoff von Wänden, Decken und Interieur ist aus dem gewonnen, was die Natur bereitstellt: gefrorenem Wasser. Wer das Hotel bucht, muss freilich mit Innentemperaturen von null bis minus fünf Grad vorlieb nehmen, sonst schmilzt das Eis ja. »Kälte vermag den zauberhaften Frieden und die Stille dieser Räume nicht zu stören«, verspricht lyrisch der Werbeprospekt des Hotels und offeriert polarerprobte Schlafsäcke für die Nacht.

Klar, die Temperaturdifferenz zum Außenbereich beträgt in Winterszeiten immer noch 20 Grad. Zur Weihnachtszeit wurden für die Gegend um Rovaniemi, wo sich das Hotel befindet, minus 22 Grad gemessen.

Wie die Hotelbesitzer es schaffen, auch eine Sauna aus Eis dauerhaft zu betreiben, wird in dem Ausstellungsbeitrag nicht erklärt. Immerhin seit 2008 existiert das Snow Hotel aber. Und da die Finnen bislang nicht für Münchhauseniaden bekannt sind, nimmt man gern an, dass das Paradox einer Eissauna doch auch realisierbar ist.

Die anderen vorgestellten Projekte entzünden nicht in dem gleichen Maße die Fantasie des Besuchers. Zwar ist es sicherlich sehr begrüßenswert, dass Annelie Tahvonen schon seit 1998 fleißig Beeren und Kräuter in Lappland sammelt und daraus auch schön gestaltete Süßigkeiten herstellt. Aber ein besonderer Zugriff ist nicht dabei zu erkennen. Der Weihnachtsmarktproduzent Prosanta gestaltet Hütten und plüschiges Großgetier immerhin noch mit einer lokalen Note - und gibt sogar zu, das die Gestaltung nicht immer die Erwartungen des Unternehmens komplett erfülle. Diese für Freizeitunternehmen ungewöhnlich selbstkritische Haltung lässt für die Zukunft hoffen.

Dass Spielplätze von Lappset und Motorschlitten von Lynx einen besonders arktischen Zuschnitt hätten, ist der Ausstellung nicht zu entnehmen. Und die Waldarbeiter von Metsähallitus als Designer der nördlichen Forsten herausstellen, wirkt arg aufgesetzt - selbst wenn nicht zu verhehlen ist, dass Motorsägen und Kettengerät zur Holzabfuhr dem Wald tatsächlich eine, wenngleich nicht von jedem so gewünschte, Gestalt geben.

Insgesamt erweckt die Ausstellung gemischte Gefühle. Unter einem viel versprechenden Titel sind exzentrische, aber auch recht banale Gestaltungsprodukte vereint. Immerhin ist der Wille zu spüren, Akzente zu setzen, die von einer bewussten Auseinandersetzung mit regionalen Umständen gespeist sind und sich daher dem globalen Allerlei widersetzen. Diese Anstrengung macht den reizvollen Aspekt von »Arctic Design« aus. Ein wenig mehr »Arctishness« wäre freilich zu wünschen gewesen.

Bis 11.1., Finland Institute, Georgenstr 24, 1. Stock, Mo. 10-17 Uhr, Di.-Do. 11-19 Uhr, Fr 9-15 Uhr

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